Otto Schmidt Verlag

LSG Hessen 27.8.2025 - L 4 SO 38/25

Sozialhilfeträger muss Kosten einer Räumungsklage nicht erstatten

Hat ein Leistungsträger zunächst seine Leistungen im vollen Umfang erbracht und sind trotzdem berechtigte Ansprüche des Vermieters gegeben oder nachträglich entstanden, so lässt dies keinen neuen Anspruch auf Leistungen nach § 35 Abs. 1 SGB XII entstehen, sondern es kann sich insoweit allenfalls um Schulden handeln, die dann nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 36 SGB XII übernommen werden können.

Der Sachverhalt:
Der heute 72-jährige Kläger bezieht Sozialhilfe. Die Kosten für seine Wohnung, in der er bereits 36 Jahre wohnte, wurden im Rahmen der Sozialhilfe fortlaufend von der beklagten Stadt übernommen. Im Januar 2022 teilten die Vermieter des Klägers der Beklagten mit, dass sie zum 1.1.2021 die an den Kläger vermietete Wohnung erworben und zum 1.12.2021 gegenüber diesem eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen hätten. Der Kläger teilte der Beklagten daraufhin mit, dass er sich gegen die eingereichte Räumungsklage im "Rechtsverfahren" wehre. Am 25.4.2022 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass ihm nach richterlicher, erstinstanzlicher Entscheidung eine Räumungsfrist bis zum 31.7.2022 gesetzt worden sei. Prozesskostenhilfe hatte der Kläger in dem Verfahren auf Räumung nicht beantragt. Die Verfahrenskosten hat er beglichen.

Im November 2022 bewilligte die Beklagte dem Kläger die Übernahme der Umzugskosten in eine neue Wohnung. Die Erstattung der Verfahrenskosten aus der Eigenbedarfskündigung i.H.v. 1.270 € lehnte die Beklagte hingegen ab. Es sei keine rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch erkennbar. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Der Kläger war der Ansicht, die ihm durch das rücksichtslose Verhalten der Vermieter entstandenen Kosten seien ihm nicht anzulasten. Es bestünden gesellschaftliche Mängel (fehlender Wohnraum etc.). Das Gerichtsverfahren sei unvermeidlich gewesen.

Das SG hat die Klage auf Erstattung der Kosten abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Räumungsklage i.H.v. 1.270 € gegenüber der Beklagten.

Zwar ist durchaus denkbar, dass die durch eine Räumungsklage entstandenen Kosten Unterkunftskosten nach § 35 Abs. 1 SGB XII darstellen, etwa wenn ein Leistungsträger angemessene Unterkunftskosten nicht, nicht in voller Höher oder verspätet geleistet hat und es dadurch zur Räumungsklage betreffend die angemessene Unterkunft gekommen ist. Dieser Fall lag hier allerdings nicht vor.

Hat ein Leistungsträger zunächst seine Leistungen im vollen Umfang erbracht und sind trotzdem berechtigte Ansprüche des Vermieters gegeben oder nachträglich entstanden, so lässt dies keinen neuen Anspruch auf Leistungen nach § 35 Abs. 1 SGB XII entstehen (vgl. BSG, Urt. v. 17.6.2010, B 14 AS 58/09 R), sondern es kann sich insoweit allenfalls um Schulden handeln, die dann nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 36 SGB XII übernommen werden können. Vorliegend hatte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 35 Abs. 1 SGB XII in Höhe der tatsächlichen Miete durchgehend erfüllt.

Ein Anspruch auf Erstattung der von dem Kläger beglichenen Kosten der Räumungsklage konnte auch nicht auf § 36 SGB XII gestützt werden. Danach können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Sie sollen dabei übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht, § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Grundsätzlich können Kosten einer Räumungsklage zwar als Mietschulden zu übernehmen sein. Dies setzt jedoch voraus, dass die Schulden nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus Einkommen und Vermögen, beglichen werden können und deren Übernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

Diese Voraussetzungen waren vorliegend jedoch nicht gegeben. Bei dem Kläger lagen keine Schulden i.S. der Norm vor. Der Kläger hatte die Kosten der Räumungsklage wegen Eigenbedarfs vor der Antragstellung auf Erstattung/Übernahme bei der Beklagten selbst beglichen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.10.2025 12:08
Quelle: LaReDa Hessen

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