LAG Köln v. 10.7.2025 - 8 SLa 582/24
Zur Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks für gemeinsamen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit
Ein Unterstützungsstreik in einem konzernangehörigen Unternehmen kann zulässig sein, wenn der Hauptarbeitskampf u.a. auf die gemeinsame Antragstellung der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages nach § 5 Abs. 1 TVG gerichtet ist.
Der Sachverhalt:
Die klagende Arbeitgeberin forderte Schadensersatz i.H.v. rd. 300.000 € von der beteiligten Gewerkschaft. Hintergrund war ein 24-stündiger Solidaritätsstreik, zu dem die Gewerkschaft aufgerufen hatte. Dieser sollte die Beschäftigten anderer Unternehmen desselben Konzerns unterstützen, die sich im Hauptstreik mit der Gewerkschaft befanden. Ein Ziel dieses Hauptarbeitskampfs war neben der Erhöhung der Tarifvergütung die gemeinsame Beantragung der Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel NRW.
Die Klägerin hielt diesen Unterstützungsstreik für unzulässig und damit rechtswidrig, weshalb die Gewerkschaft ihr den durch den Streik entstandenen Schaden zu ersetzen habe. Das Streikziel - die gemeinsame Antragstellung der Tarifvertragsparteien - sei kein legitimes Ziel eines Arbeitskampfes.
Das ArbG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die beim BAG anhängige Revision der Klägerin wird dort unter dem Az. 1 AZR 139/25 geführt.
Die Gründe:
Auch die gemeinsame Antragstellung nach § 5 Abs. 1 TVG kann ein rechtmäßiges Ziel eines Arbeitskampfs darstellen. Eine pauschale Ausklammerung solcher schuldrechtlicher Verpflichtungen aus dem Streikrecht ist mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Andernfalls würden bestimmte Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dem Arbeitskampf unzulässig entzogen, mithin "streikfrei" gestellt. Der Einordnung der gemeinsamen Antragstellung nach § 5 Abs. 1 TVG als eine Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbeziehungen steht auch nicht entgegen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung auch die sog. Außenseiter, die nicht Mitglieder der tarifschließenden Parteien sind, erfasst. Vielmehr gehört auch dies zu der den Koalitionen durch Art. 9 Abs. 3 GG zugewiesenen öffentlichen Aufgabe, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gestalten.
Mehr zum Thema:
Aufsatz
Allgemeinverbindlicherklärung durch Arbeitskampf
Thomas Ubber / Felicia von Grundherr, ZFA 2024, 264
ZFA0064483
Kommentierung | TVG
§ 5 Allgemeinverbindlichkeit
Henssler in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 11. Aufl. 2024
11. Aufl./Lfg. 04.2024
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