Otto Schmidt Verlag

BAG v. 22.5.2025 - 7 ABR 10/24

Weniger Wahlbewerber als Betriebsratssitze bei Betriebsratswahl - Keine Nachfrist für Wahlvorschläge

Der in § 9 WO geregelte Fall, dass nach Ablauf der Einreichungsfrist keine gültige Vorschlagsliste eingereicht wurde, ist mit dem Fall, dass innerhalb der Einreichungsfrist nur eine Vorschlagsliste mit einer unzureichenden Anzahl von Bewerbern eingereicht wurde, nicht vergleichbar. Für die Annahme, eine Pflicht des Wahlvorstands zur Nachfristsetzung bestünde immer dann, wenn Vorschlagslisten mit insgesamt weniger Bewerbern als den zu vergebenen Betriebsratssitzen eingereicht worden sind, fehlt es an einem normativen Anknüpfungspunkt.

Der Sachverhalt:
Die beiden Arbeitgeberinnen sind Träger eines Gemeinschaftsbetriebs, in dem zum maßgeblichen Zeitpunkt 367 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Da die Gesamtzahl der Mitglieder des im Gemeinschaftsbetrieb gebildeten Betriebsrats unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken war, bestellte dieser außerhalb des Zeitraums der regelmäßigen Betriebsratswahlen einen Wahlvorstand zur Einleitung und Durchführung einer Betriebsratswahl.

Am 8.12.2022 wurde das Wahlausschreiben durch Aushang bekannt gegeben. Danach sei ein Betriebsrat mit neun Mitgliedern zu wählen. Bis zum Ablauf der Frist am 22.12.2022 war beim Wahlvorstand allerdings nur ein Wahlvorschlag eingereicht worden, auf dem auch nur sechs Wahlbewerber aufgeführt waren. Der Wahlvorstand beschloss daraufhin, eine Nachfrist zur Einreichung von Wahlvorschlägen zu setzen, und gab dies am 23.12.2022 durch Aushang bekannt. Aber auch bis zum Ablauf der Frist am 29.12.2022 wurde kein weiterer Wahlbewerber vorgeschlagen.

Die Wahl, aus der der Betriebsrat schließlich hervorging, wurde am 15.2.2023 durchgeführt. Am selben Tag gab der Wahlvorstand das vorläufige Ergebnis und am 23.2.2023 das endgültige Ergebnis der Wahl bekannt. Danach erhielten alle sechs Bewerber Stimmen. Diese Wahl haben die Arbeitgeberinnen angefochten. Sie waren der Ansicht, das Wahlverfahren sei mit zahlreichen Mängeln behaftet, so habe etwa der Wahlvorstand eine zu kurze Nachfrist zur Einreichung von Wahlvorschlägen gesetzt.

Das Arbeitsgericht hat die Wahl für unwirksam erklärt. Das LAG hat die Entscheidung bestätigt. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betriebsrates hat das BAG den Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das LAG die Wahl des Betriebsrats nicht für unwirksam erklären. Es hat zu Unrecht die materiellen Voraussetzungen der Anfechtung angenommen, weil der Wahlvorstand eine zu kurze Nachfrist zur Benennung weiterer Wahlbewerber bis zum Ablauf des 29.12.2022 gesetzt hatte.

Der Wahlvorstand war nicht verpflichtet, eine Nachfrist für die Einreichung von Wahlvorschlägen in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 1 WO zu setzen. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt (vgl. BAG 24.4.2024 – 7 ABR 26/23). Der in § 9 WO geregelte Fall, dass nach Ablauf der Einreichungsfrist keine gültige Vorschlagsliste eingereicht wurde, ist mit dem Fall, dass innerhalb der Einreichungsfrist nur eine Vorschlagsliste mit einer unzureichenden Anzahl von Bewerbern eingereicht wurde, nicht vergleichbar (vgl. auch LAG Düsseldorf 4.7.2014 – 6 TaBV 24/14). Für die Annahme, eine Pflicht des Wahlvorstands zur Nachfristsetzung bestünde immer dann, wenn Vorschlagslisten mit insgesamt weniger Bewerbern als den zu vergebenen Betriebsratssitzen eingereicht worden sind, fehlt es an einem normativen Anknüpfungspunkt.

Zwar war in der Nachfristsetzung durch den Wahlvorstand ein Verstoß gegen das Wahlverfahren zu sehen. Im vorliegenden Fall hatte der Verstoß jedoch das Wahlergebnis nicht geändert. Innerhalb der verlängerten Frist wurden keine neuen Vorschläge eingereicht. Bei der Wahl standen nur die Bewerber zur Wahl, die auf dem fristgerecht bis zum 22.12.2022 eingereichten Wahlvorschlag genannt waren. Da der Senat in Ermangelung entsprechender Feststellungen nicht beurteilen konnte, ob weitere von den Arbeitgeberinnen geltend gemachten Verstöße gegen Vorschriften über das Wahlverfahren vorliegen, war die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Christian Moderegger
Betriebliche Mitbestimmung in der Matrixorganisation
ArbRB 2025, 282

Beratermodul Arbeitsrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.09.2025 11:52
Quelle: BAG online

zurück zur vorherigen Seite