Otto Schmidt Verlag

LAG Hamm v. 24.7.2025 - 13 Ta 56/25

Vorübergehender Kontaktabbruch zum Mandanten noch keinen Grund zur Aufhebung der Beiordnung

Ein vorübergehender Kontaktabbruch zu dem Mandanten stellt noch keinen Grund zur Aufhebung der Beiordnung i.S.d. § 48 Abs. 2 BRAO dar. Erst wenn der Prozessbevollmächtigte sich aufgrund des Verhaltens seines Mandanten nicht mehr in der Lage sieht, die ihm im Rahmen des Mandatsverhältnisses obliegende Pflicht zur sachgerechten Interessenvertretung zu erfüllen, kann ausnahmsweise ein wichtiger Grund vorliegen.

Der Sachverhalt:
Der von dem Beschwerdeführer vertretene Kläger hatte in einem Verfahren um die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich. Das Arbeitsgericht hatte Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass der Kläger aus seinem Vermögen Raten zu zahlen hat, und ordnete ihm den Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigten bei. Da der Kläger die Ratenzahlung nicht aufnahm, forderte das Arbeitsgericht den Kläger mit Schreiben vom 7.11.2024, dem Beschwerdeführer zugestellt am gleichen Tag, unter Hinweis auf § 124 Nr. 5 ZPO zur Zahlung auf.

Am 28.11.2024 erklärte der Beschwerdeführer, dass er für das Überprüfungsverfahren nicht gesondert mandatiert worden sei, keinen Kontakt zu dem Kläger habe herstellen können und deshalb das Mandat niederlege. Eine EMA-Anfrage ergab, dass der Kläger noch unter der dem Gericht bekannten Anschrift wohnt. Nachdem das Arbeitsgericht den Beschwerdeführer darauf hingewiesen hatte, dass die Beschränkung der Prozessvollmacht nicht zulässig sei, beantragte dieser am 16.12.2024 die Entpflichtung als beigeordneter Rechtsanwalt. Der Antrag wurde zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei eine die Entpflichtung rechtfertigende tiefgreifende Störung des Vertrauensverhältnisses darin begründet, dass er den Kontakt zu seinem Mandanten seit längerer Zeit nicht habe herstellen können. Die Pflicht zur effektiven anwaltlichen Vertretung setze aber eine fortlaufende Abstimmung mit dem Mandanten voraus.

Die sofortige Beschwerde blieb erfolglos.

Die Gründe:
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da ein wichtiger Grund für die Aufhebung der Beiordnung nicht erkennbar war.

Sinn und Zweck des § 48 Abs. 2 BRAO ist, bei einmal erfolgter Beiordnung die anwaltliche Vertretung auch weiterhin sicherzustellen (OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2017 – II-2 WF 204/17). Wichtige Gründe, die grundsätzlich eine Entpflichtung des Rechtsanwalts rechtfertigen können, sind eine Interessenkollision, eine nachhaltige und tiefgreifende Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Partei, die Weigerung der Partei, die unterzeichnete Prozessvollmacht an den Rechtsanwalt zu übersenden, der Wechsel der gerichtlichen Zuständigkeit oder der vollständige Kontaktabbruch durch den Mandanten. Der bloße Umstand, dass eine Kontaktaufnahme zu dem Mandanten derzeit nicht möglich ist, stellt keinen solchen schwerwiegenden Grund– jedenfalls nicht ohne weiteres – dar.

Zwar hat der Prozessbevollmächtigte in einem solchen Fall nicht die Möglichkeit, das Vorgehen mit seinem Mandanten zu besprechen, zu beraten oder – insbesondere im Überprüfungsverfahren – erforderliche Unterlagen anzufordern und so die Interessen seines Mandanten bestmöglich wahrzunehmen. Aber erst wenn der Prozessbevollmächtigte sich aufgrund des Verhaltens seines Mandanten nicht mehr in der Lage sieht, die ihm im Rahmen des Mandatsverhältnisses obliegende Pflicht zur sachgerechten Interessenvertretung zu erfüllen, kann ausnahmsweise ein wichtiger Grund vorliegen. Ob ein solcher Sachverhalt gegeben ist, hängt vom Einzelfall ab.

Umstände, welche die Annahme rechtfertigen könnten, eine Zusammenarbeit zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kläger sei nicht mehr hinreichend gewährleistet, waren nicht ersichtlich. Insbesondere war nicht hinreichend dargelegt worden, dass ein vollständiger Kontaktabbruch durch den Kläger erfolgt ist. Das Arbeitsgericht hatte den Kläger über den Beschwerdeführer erstmals am 7.11.2024 zur Aufnahme der Ratenzahlung aufgefordert. Bereits am 16.12.2024 hat der Beschwerdeführer seine Entpflichtung beantragt und pauschal darauf verwiesen, dass der Kläger trotz mehrfacher Kontaktversuche nicht erreichbar sei. Zu seinen Bemühungen hat er nichts weiter vorgetragen. Auch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt hatte er nicht gestellt. Eine solche hat erst das Arbeitsgericht vorgenommen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.09.2025 16:21
Quelle: Justiz NRW

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