Otto Schmidt Verlag

BAG v. 3.6.2025 - 9 AZR 104/24

Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann ein Arbeitnehmer nicht – auch nicht durch gerichtlichen Vergleich – auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten. Dies gilt auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses feststeht und absehbar ist, dass der Arbeitnehmer bis dahin seinen Urlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht wird in Anspruch nehmen können.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten von Januar 2019 bis Ende April 2023 als Betriebsleiter beschäftigt. Die Parteien haben sich in einem gerichtlichen Vergleich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigt. Bis zum vereinbarten Beendigungstermin war der Kläger im Kalenderjahr 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Im Rahmen der dem Vergleich vorausgehenden Korrespondenz hatte sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerichtet und mitgeteilt, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne. Im Zuge einer Gesamteinigung sei sein Mandant bereit, nur die Abgeltung des Mindesturlaubs 2023 von sieben Tagen zu berücksichtigen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten stellte fest, dass es über die bereits gemachten Zugeständnisse hinaus kein weiteres Entgegenkommen geben werde.

Nachdem die Parteien den Vergleichstext bei Gericht eingereicht hatten, stellte das Arbeitsgericht gem. § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen des Vergleichs fest. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung erfolglos auf, die noch offenen sieben Tage gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023 mit einem Betrag i.H.v. 1.615 € abzugelten. Er war der Ansicht, der in dem gerichtlichen Vergleich geregelte Verzicht auf den unabdingbaren Mindesturlaub sei unwirksam. Deshalb könne er Urlaubsabgeltung beanspruchen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel der Beklagten blieben in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die Forderung des Klägers auf Abgeltung seines nicht erfüllten Teilurlaubsanspruchs aus dem Jahr 2023 gem. § 7 Abs. 4 BUrlG begründet ist.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann ein Arbeitnehmer nicht – auch nicht durch gerichtlichen Vergleich – auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten. Dies gilt auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (wie hier) feststeht und absehbar ist, dass der Arbeitnehmer bis dahin seinen Urlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht wird in Anspruch nehmen können (BAG 19.2.2019 – 9 AZR 278/16; 14.5.2013 – 9 AZR 844/11).

Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG – ebenso wie § 7 Abs. 4 BUrlG – auf die rechtliche und nicht lediglich auf die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt das Verbot, den gesetzlichen Mindesturlaub abzugelten. Mit dem Begriff „Arbeitsverhältnis“ werden zusammenfassend die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezeichnet, die regelmäßig durch einen Arbeitsvertrag begründet werden. Das Arbeitsverhältnis endet i.S.v. § 7 Abs. 4 BUrlG daher erst mit der Beendigung des Arbeitsvertrags (BAG 16.10.2012 – 9 AZR 234/11).

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.09.2025 15:41
Quelle: BAG online

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