ArbG Essen v. 24.6.2025 - 2 Ca 463/25
Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG: MS-Office Kenntnisse müssen nicht mit Zeugnissen belegt werden
Der Umgang mit MS-Office ist für die meisten Menschen selbstverständlich, ohne dass dieses in Zeugnissen besonders erwähnt werden müsste. Außerdem können sehr gute MS-Office Kenntnisse auch ohne umfangreiche Schulungen im täglichen Gebrauch erworben werden. Von dem Fehlen irgendwelcher Nachweise kann daher nicht darauf geschlossen werden, dass keine sehr guten MS-Office Kenntnisse vorliegen.
Der Sachverhalt:
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich im Jahr 2024 auf eine beim Beklagten ausgeschriebene Stelle als Teilzeitkraft für Sekretariatsarbeit beworben. Bei dem Beklagten handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Mit E-Mail vom 18.12.2024 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Bewerbung nicht berücksichtigt werden konnte. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 20.1.2025 machte der Kläger daraufhin eine Entschädigung i.H.v. 5.176 € nach § 15 Abs. 2 AGG gegenüber dem Beklagten geltend.
Der Kläger war der Ansicht, er sei aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden. Der Beklagte hätte ihn als öffentlicher Arbeitgeber gem. § 165 Satz 3 SGB IX zum Vorstellungsgespräch einladen müssen. Er sei geeignet für die Stelle, insbesondere verfüge er über die geforderten MS-Office Kenntnisse. Durch das Unterlassen sei eine Diskriminierung nach § 22 AGG indiziert, so dass ihm eine Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern zustehe.
Der Beklagte war der Auffassung, der Kläger hätte nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen, da er offensichtlich ungeeignet für die Stelle i.S.d. § 165 Satz 4 SGB IX sei. Die Stellenausschreibung habe nachgewiesene, sehr gute MS-Office-Kenntnissen verlangt. Der Kläger habe dazu in seiner Bewerbung aber nur geschrieben, dass der Umgang mit allen gängigen Office-Anwendungen für ihn selbstverständlich sei und keine Nachweise eingereicht. Außerdem sei die Bewerbung des Klägers rechtsmissbräuchlich gewesen. Er habe auffällig viele Textbausteine verwendet.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger eine Entschädigung i.H.v. 3.450 € zu zahlen.
Die Gründe:
Der Anspruch des Klägers folgt aus § 15 Abs. 2 AGG. Er wurde von dem Beklagten unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung i.S.v. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG benachteiligt.
Der Beklagte hatte gegen seine Verpflichtung nach § 165 Satz 3 SGB IX verstoßen, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Der Beklagte war von dieser Verpflichtung nicht gem. § 165 Satz 4 SGB IX ausnahmsweise befreit. Der Kläger war nicht offensichtlich ungeeignet. Vielmehr hatte er in seinem Bewerbungsschreiben Angaben zu seiner fachlichen Qualifikation gemacht und diesem Schreiben einen Lebenslauf beigefügt, in dem er seine Abschlüsse, Ausbildungsstationen, die Ausbildungsinhalte und seine bisherigen beruflichen Tätigkeiten im Einzelnen erläuterte. Die Bewerbung enthielt auch Zeugnisse, anhand derer der Beklagte die fachliche Eignung des Klägers prüfen konnte.
Der Umgang mit MS-Office ist für die meisten Menschen selbstverständlich, ohne dass dieses in Zeugnissen besonders erwähnt werden müsste. Außerdem können sehr gute MS-Office Kenntnisse auch ohne umfangreiche Schulungen im täglichen Gebrauch erworben werden. Von dem Fehlen irgendwelcher Nachweise kann daher nicht darauf geschlossen werden, dass keine sehr guten MS-Office Kenntnisse vorliegen. Das galt hier auch, obwohl der Beklagte in der Stellenausschreibung entsprechende Nachweise erwünscht hatte.
Der Beklagte konnte die Vermutung, dass eine Diskriminierung aufgrund der Schwerbehinderung des Klägers vorliegt, nicht widerlegen. Er hatte zur Widerlegung der Vermutung lediglich vorgetragen, dass die Bewerberin, die eingestellt wurde, fachlich deutlich besser geeignet gewesen wäre als der Kläger und der Kläger aus anderen, nicht diskriminierenden Gründen nicht eingestellt wurde. Ein solcher Vortrag genügt allerdings nicht, um die Vermutung einer Diskriminierung zu widerlegen. Entgegen der Auffassung des Beklagten konnte die Bewerbung des Klägers auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Die Bewerbung war zwar kurz gehalten, aber dies ließ nicht darauf schließen, dass der Kläger die Stelle überhaupt nicht haben wollte.
Die Kammer hielt jedoch eine Entschädigung i.H.v. zwei Bruttomonatsgehältern für angemessen. Der Maximalhöhe von drei Bruttomonatsgehältern bedurfte es im vorliegenden Fall nicht, um eine wirksame und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber zu gewährleisten.
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