Otto Schmidt Verlag

BAG v. 31.7.2025 - 6 AZR 172/24

Keine Entscheidung zur Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbands Diakonischer Dienstgeberverband Niedersachsen e.V.

Nimmt ein Tarifvertrag auf einen anderen Tarifvertrag Bezug, werden die Regelungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags inkorporierter Teil des verweisenden Tarifvertrags. Als solcher gelten sie unmittelbar und zwingend zwischen den an den Verweisungstarifvertrag gebundenen Parteien eines Arbeitsvertrags. Das gilt auch für den Fall, dass am Abschluss des in Bezug genommenen Tarifvertrags eine nicht tariffähige Partei beteiligt gewesen sein sollte.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Mitglied des Diakonischen Werks der evangelisch-lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe. Kirchenrechtliche Bestimmungen schreiben vor, dass dessen Mitglieder zugleich Mitglieder im Dienstgeberverband Niedersachsen e.V. (DDN) sind. Der DDN hat u.a. den Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen vom 19.9.2014 (TV DN) geschlossen.

Die Beklagte betreibt ein Ende 2016 im Wege eines Betriebsübergangs übernommenes Krankenhaus. In diesem ist die Klägerin als Fachkrankenschwester im Herzkatheter-Labor beschäftigt. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten einer Pflegefachkraft in einem Funktionsbereich. 

Seit der ab Mai 2019 geltenden Fassung gewährt Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 1 TV DN eine monatliche Zulage zum Tabellenentgelt für "Arbeitnehmerinnen auf Arbeitsplätzen in der Pflege in Krankenhäusern". Deren Zahlung beansprucht die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass der Begriff des "Arbeitsplatzes in der Pflege" auch Funktionsbereiche wie bspw. das Herzkatheter-Labor umfasse. Die Beklagte steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass die Zulage nur an Pflegepersonal auf bettenführenden Stationen zu zahlen sei.

Das ArbG wies die Klage ab; das LAG gab ihr ganz überwiegend statt. Auf die Revision der Beklagten hob das BAG das Urteil des LAG auf und wies die Berufung gegen das Urteil des ArbG zurück.

Die Gründe:
Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, dass wegen einer Zwangsmitgliedschaft im DDN Zweifel an der Tariffähigkeit des auf Arbeitgeberseite am Vertragsschluss beteiligten DDN und damit an der Wirksamkeit des TV DN bestehen könnten. Darauf ist der aus Anlass des Betriebsübergangs u.a. von der Beklagten sowie der Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied die Klägerin ist, geschlossene Überleitungstarifvertrag vorgelegt worden. Dessen § 3 bestimmt, dass auf die übergehenden Arbeitsverhältnisse ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Bestimmungen des TV DN in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Darum konnte der Senat nicht mehr über die Frage der Tariffähigkeit des DDN befinden. 

Die Regelungen des TV DN sind aufgrund der Bezugnahme in § 3 des Überleitungstarifvertrags, an den die Parteien gem. § 3 Abs. 1 TVG gebunden sind, inkorporierter Teil dieses Tarifvertrags. Als solcher gelten sie im Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend. Ob die Parteien daneben auch an den TV DN selbst gebunden sind, war deshalb irrelevant. Die vorliegende Klage hatte dennoch keinen Erfolg, da Funktionsbereiche wie z.B. das Herzkatheter-Labor vom Begriff der "Arbeitsplätze in der Pflege" i.S.v. Teil B Abschnitt I § 3 Abs. 1 TV DN nicht umfasst sind.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung (Vorinstanz)
Pflegezulage nach Tarifvertrag für Pflegefachkräfte mit der Tätigkeit in Funktionsdiensten
LAG Niedersachsen vom 20.06.2024 - 3 SA 648/23

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.08.2025 15:07
Quelle: BAG PM Nr. 32 vom 31.7.2025

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