Thüringer LAG v. 4.6.2025 - 4 Sa 281/22
Kündigungsschutz: Zusammenrechnung von zwei Arbeitsverhältnissen?
Zwei Arbeitsverhältnisse können für die Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG zusammengerechnet werden, wenn sie in einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Eine deutliche Zäsur ist darin zu sehen, wenn sich der Arbeitgeber zunächst für einen anderen Bewerber entschieden hat, womit der sachliche Zusammenhang abgebrochen und aufgehoben wird.
Der Sachverhalt:
Ende 2020 hatte der Beklagte eine Stelle als Konzept- und Musikdramaturg*in ausgeschrieben. Letztlich verblieben die Klägerin und ein weiterer Bewerber im Bewerbungsverfahren. Beide bekamen Aufgaben zur Bearbeitung. Die Parteien unterschrieben einen auf den 15.2.2020 datierten Vertrag, nach dem die Klägerin den Beklagten u.a. bei der Vorbereitung und Konzeption einer musikpädagogische Onlineplattform beraten und unterstützen sollte. Der Vertrag sollte vom 16. bis zum 26.2.2021 gelten. Als Entgelt wurden 750 € zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Die Zahlung sollte nach Zugang einer prüffähigen Rechnung erfolgen.
Die Klägerin erhielt am 16.2.2021 Aufgaben. Sie erkrankte am 24.2.2022. Ihr Ehegatte übergab den ersten Aufgabenteil am 3.3.2021 an den Beklagten. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin dauerte bis zum 28.4.2021. Danach übertrug der Beklagte sowohl der Klägerin als auch dem weiteren Bewerber weitere Aufgaben, die bis zum 5.5.2021 zu erledigen gewesen waren. Nachdem der von dem Beklagten zunächst ausgewählte Bewerber die Stelle ausgeschlagen hatte, entschied sich der Beklagte, die Klägerin am 17.5.2021 einzustellen.
Mit Schreiben vom 25.10.2021, unterschrieben von der geschäftsführenden Intendantin, kündigte der Beklagte der Klägerin mit einer Frist von zwei Wochen. Mit Schreiben vom 11.11.2021 kündigte die Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Arbeitsverhältnis vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der vorherigen Kündigung.
Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung vom 25.10.2021 für rechtsunwirksam, die Kündigung vom 11.11.2021 habe das Arbeitsverhältnis allerdings mit Ablauf des 27.11.2021 beendet. Das Arbeitsverhältnis habe erst seit dem 17.5.2021 bestanden, sodass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Für die vereinbarte 6-monatige Probezeit sei eine 14-tägige Kündigungsfrist geregelt worden. Das LAG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hatte erst mit Unterzeichnung des Vertrages am 17.5.2021 begonnen. Die Kündigung vom 11.11.2021 war am 13.11.2021, mithin innerhalb von sechs Monaten, zugegangen und damit innerhalb der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes.
Das mit Wirkung vom 16.2.2021 begründete Rechtsverhältnis war hingegen kein Arbeitsverhältnis. Es war vielmehr eine Aufgabe (Beratung und Unterstützung) vereinbart worden, die sowohl in einem freien Dienstverhältnis als auch in einem Arbeitsverhältnis erbracht werden konnte. Hieraus ließ sich keine sicheren Rückschlüsse auf ein Arbeitsverhältnis ziehen. Die Entgeltabrede sprach für die Durchführung eines freien Dienstverhältnisses. Die weitere Abrede, dass andere Tätigkeiten und Arbeitsverhältnisse von diesem Vertragsverhältnis unberührt bleiben sollten, sprach dafür, dass kein Arbeitsverhältnis gewollt war, weil offensichtlich nicht die volle Arbeitskraft geschuldet war.
Davon abgesehen – selbst unterstellt – es hätte aufgrund des Vertrages vom 16.2.2021 ein Arbeitsverhältnis vorgelegen und wäre als solches durchgeführt worden, wäre die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht erfüllt, denn dieses Arbeitsverhältnis wäre befristet gewesen bis zum 26.2.2021. Das Arbeitsverhältnis konnte auch nicht mit dem am 17.5.2021 begonnenen Arbeitsverhältnis zusammengerechnet werden. Zwar können zwei Arbeitsverhältnisse grundsätzlich für die Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG zusammengerechnet werden, wenn sie in einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Hier fehlte es jedoch an dem sachlichen inneren Zusammenhang.
Zwar war dieses Vertragsverhältnis als Probe und Eignungsprüfung dem Arbeitsverhältnis vom 17.5.2021 vorgeschaltet, was zunächst für einen sachlichen Zusammenhang sprach. Allerdings gab es die deutliche Zäsur, dass sich der Beklagte zunächst für einen anderen Bewerber entschieden hatte, womit der sachliche Zusammenhang abgebrochen und aufgehoben wurde. Die Kammer war aufgrund der vorgelegten Unterlagen und auch der Schreiben des anderen Bewerbers hinreichend davon überzeugt, dass tatsächlich zunächst dieser andere Bewerber ausgesucht worden war und dann abgesagt hat.
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