Otto Schmidt Verlag

LAG Köln v 15.4.2025 - 7 SLa 511/24

Kursleiter für Integrationskurse als arbeitnehmerähnliche Person?

Die Abgrenzung zwischen arbeitnehmerähnlicher Person i.S.v. § 2 Satz 2 BUrlG und einem Selbstständigen bestimmt sich nach den allgemeinen Merkmalen. § 12a TVG ist nicht unmittelbar heranzuziehen. Die Vorschrift enthält keine gesetzliche Definition für alle arbeitsrechtlichen Vorschriften, die auf das Rechtsverhältnis einer arbeitnehmerähnlichen Person anzuwenden sind. Das schließt nicht aus, die in § 12a Abs. 1 Nr. 1 a) und b) TVG genannten Zeit- und Verdienstrelationen heranzuziehen.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet Integrationskurse für Migranten im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an. Der 1963 geborene und zu 50 % schwerbehinderte Kläger war in der Zeit vom 28.6.2022 bis zum 18.10.2023 als freier Mitarbeiter für die Beklagte als Kursleiter tätig. Der Kläger musste den Unterricht persönlich erbringen und die Richtlinien und Vorschriften des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beachten. Für die Tätigkeit hatten die Parteien ein Honorar i.H.v. zuletzt 42,23 € je geleisteter Unterrichtseinheit (45 Minuten) vereinbarten. Hierzu hat der Kläger jeweils spätestens 14 Tage nach Ablauf eines Kursabschnittes eine Honorarabrechnung erstellt. Ausgefallene Stunden wurden ihm nicht vergütet. Mit dem Honorar waren sämtliche Tätigkeiten inklusive der Vor- und Nachbereitung abgegolten.

Der Kläger forderte eine Urlaubsabgeltung i.H.v. 3.022,95 € brutto von der Beklagten. Er war der Ansicht, dass er als arbeitnehmerähnliche Person zu qualifizieren sei und er daher einen Anspruch auf Urlaubsentgelt, hilfsweise auf Urlaubsabgeltung habe. Er behauptete, dass er mit den Honoraren, die er bei der Beklagten erzielte, seinen Lebensunterhalt bestritten und in dieser Zeit keine anderweitigen Einkünfte erzielt habe.

Die Beklagte wies darauf hin, dass nie festgestanden habe, dass der Kläger nach Beendigung eines Kurses einen Folgeauftrag erhalte, so dass die Existenzgrundlage auf Basis dieser vertraglichen Vereinbarungen schon gar nicht gesichert gewesen sei. Auf eine Dauerbeziehung sei das Vertragsverhältnis nicht angelegt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger eine Urlaubsabgeltung i.H.v. 2.598,75 € zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung ergab sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Der Kläger war als arbeitnehmerähnliche Person für die Beklagte tätig.

Die Abgrenzung zwischen arbeitnehmerähnlicher Person i.S.v. § 2 Satz 2 BUrlG und einem Selbstständigen bestimmt sich nach den allgemeinen Merkmalen. § 12a TVG ist nicht unmittelbar heranzuziehen. Die Vorschrift enthält keine gesetzliche Definition für alle arbeitsrechtlichen Vorschriften, die auf das Rechtsverhältnis einer arbeitnehmerähnlichen Person anzuwenden sind. Das schließt nicht aus, die in § 12a Abs. 1 Nr. 1 a) und b) TVG genannten Zeit- und Verdienstrelationen heranzuziehen (vgl. BAG, Urt. v. 17.1.2006 – 9 AZR 61/05). Maßgebend ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.

Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbstständige. Sie unterscheiden sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmerähnliche Personen sind - in der Regel wegen ihrer fehlenden oder gegenüber Arbeitnehmern geringeren Weisungsgebundenheit, oft auch wegen fehlender oder geringerer Eingliederung in eine betriebliche Organisation - in wesentlich geringerem Maße persönlich abhängig als Arbeitnehmer. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit bzw. wirtschaftlichen Unselbstständigkeit. Außerdem muss die wirtschaftlich abhängige Person ihrer gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (BAG, Beschl. v. 11.7.2024 – 9 AZB 9/24).

Der Kläger war seit 2023 auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für die Beklagte zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen. Zwar hatte die Beklagte zutreffend erkannt, dass der Kläger ausweislich der Erläuterungen des Finanzamtes keine Gewinnermittlung zu den Einkünften eingereicht hatte, aber dies änderte nichts daran, dass der Kläger keine weiteren Einnahmen hatte. Auf den Gewinn aus der freiberuflichen Tätigkeit kam es nicht an, da dieser jedenfalls geringer war als die Einnahmen. Die fortlaufende Nummerierung der Rechnungen war zudem ein Indiz, dass der Kläger zwischenzeitlich keine anderen Rechnungen ausgestellt hatte.

Der Kläger war damit seiner Darlegungslast für seine wirtschaftliche Abhängigkeit ausreichend nachgekommen. Das pauschale Bestreiten der Beklagten war dementsprechend nicht mehr ausreichend. Vielmehr hätte sie konkrete Anhaltspunkte vortragen müssen, dass der Kläger über weitere Einnahmequellen oder erhebliche Vermögenswerte verfügte, die an einer wirtschaftlichen Abhängigkeit hätten zweifeln lassen. Entgegen der Ansicht der Beklagten war es auch nicht entscheidend, dass der Kläger wegen der geringen zeitlichen Beanspruchung von durchschnittlich 13,15 Unterrichtseinheiten pro Woche auch noch die Möglichkeit gehabt hätte, durch weitere berufliche Tätigkeit Einkünfte zu erzielen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.06.2025 16:39
Quelle: Justiz NRW

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