Otto Schmidt Verlag

ArbG Berlin v. 2.6.2025, 21 Ca 16313/24

Ehemaliger Fernsehdirektor der Deutschen Welle muss Ruhegelder nicht zurückzahlen

Ein Anspruch der Deutschen Welle gegen ihren ehemaligen Programmdirektor Multimedia Global auf Rückzahlung bereits gezahlter Ruhegelder ist verwirkt. Die Vereinbarung war gerade nicht gemeinwohlschädigend im Hinblick auf die Pflicht zur Wahrung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach dem Deutsche-Welle-Gesetz, sondern es lag eine zulässige Vereinbarung im Rahmen der Privatautonomie vor.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte war seit 2002 als Programmdirektor bei der klagenden Deutschen Welle beschäftigt und für die weltweit ausgestrahlten Fernsehsendungen (Multimedia Global) zuständig. Der zuletzt abgeschlossene, auf fünf Jahre befristete Dienstvertrag aus 2011 sah die Zahlung eines nachvertraglichen Ruhegeldes vor, sofern die Klägerin keine Vertragsverlängerung anbot oder von einer ausdrücklich vereinbarten Kündigungsmöglichkeit aus betrieblichen Gründen Gebrauch machte. In diesen Fällen sollte das Festgehalt als Ruhegeld für drei Monate zu 100 %, für die Dauer von weiteren vier Jahren und neun Monaten zu 75 % gezahlt werden. Nachfolgend sollten Versorgungsleistungen nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrags der Klägerin erfolgen. Anderweitig erzielter Verdienst sollte angerechnet werden, sofern dieser zusammen mit dem Ruhegeld das Festgehalt überschritt. Ein Ruhegeldanspruch bestand nicht im Falle der Nichtannahme eines Angebots zur Vertragsverlängerung durch den Beklagten sowie im Falle seiner Eigenkündigung.

Die Klägerin kündigte den Dienstvertrag aus betrieblichen Gründen anlässlich der Zusammenlegung zweier Programmdirektionen zum 30.4.2014 und zahlte ab Mai 2014 das vereinbarte Ruhegeld an den Beklagten. Im März 2019 teilte sie ihm mit, dass ab Mai 2019 ein Ruhegeld i.H.v. 60 % des Festgehalts an ihn geleistet werde, und zahlte nachfolgend entsprechend bis Dezember 2024. Mit ihrer am Jahresende 2024 erhobenen Klage verlangte die Klägerin zunächst Rückzahlung der 2021 an den Beklagten geleisteten Ruhegelder i.H.v. rund 130.000 €. Sie war der Ansicht, dass sich bereits aus dem Dienstvertrag kein Anspruch auf Zahlung von Ruhegeldern über einen Zeitraum von fünf Jahren nach Vertragsende hinaus bis zum Beginn der Regelaltersrente ergebe. Sofern die Vereinbarung anders zu verstehen sei, sei sie unter mehreren Aspekten sittenwidrig und damit nichtig. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen das Deutsche-Welle-Gesetz vor, das einen faktischen Zwang zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses untersage.

Der Beklagte leitete den Anspruch auf die bezogenen Ruhegelder aus dem Dienstvertrag und dessen bis zur Klageerhebung übereinstimmende Auslegung ab. Etwaige Rückzahlungsansprüche seien verwirkt. Ein Fall der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung liege nicht vor, sondern ein in zulässiger Weise vereinbarter angemessener Ausgleich der Risiken, die er mit dem befristeten und ordentlich kündbaren Vertrag eingegangenen sei. Mit seiner Widerklage begehrte der Beklagte die Zahlung weiterer Ruhegelder ab Januar 2025 sowie die Feststellung, dass für die Vergangenheit keine Rückzahlungsansprüche der Klägerin gegen ihn bestehen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Anspruch auf Zahlung der Ruhegelder folgte aus dem Dienstvertrag.

Etwaige Rückforderungsansprüche der Klägerin waren verwirkt, da sie über mehr als zehn Jahre Versorgungsleistungen erbracht und dem Beklagten im März 2019 die weitere Zahlung für den Zeitraum ab Mai 2019 zugesagt hatte. Die Auslegung der Regelungen zu Ruhegeld und Versorgungsleistungen im Dienstvertrag ergab, dass über die ersten fünf Jahre nach Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus Versorgungsleistungen in der Form von Ruhegeld in der geleisteten Höhe zu beanspruchen waren. Dies ergab sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelungen und wurde durch die seit Mai 2019 praktizierten Zahlungen als gemeinsames Verständnis der Vertragsparteien bestätigt.

Die Regelung zu Versorgungszahlungen vor Beginn der Regelaltersrente (ab Februar 2026) war auch nicht sittenwidrig. Die Klägerin hatte bei der Darstellung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung den Wert der Gesamtleistung des Beklagten, der über den finanziellen Wert des Entgelts für seine Arbeitsleistung hinausging, nicht zutreffend ermittelt. Die Vereinbarung war gerade nicht gemeinwohlschädigend im Hinblick auf die Pflicht zur Wahrung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach dem Deutsche-Welle-Gesetz, sondern es lag eine zulässige Vereinbarung im Rahmen der Privatautonomie vor.

Auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände ergab sich keine Beurteilung der Vereinbarung als sittenwidrig. Schließlich folgte eine Nichtigkeit der Regelungen zu Versorgungsleistungen nicht aus einem Verstoß gegen das Deutsche-Welle-Gesetz.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.06.2025 13:55
Quelle: Arbeitsgericht Berlin – PM Nr. 17/25 vom 2.6.2025

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