LAG Hamm v. 6.5.2025 - 13 Ta 344/24
Einsatz einer Abfindung als Vermögen - Schonvermögen
Eine im Kündigungsschutzprozess vereinbarte und ausgezahlte Abfindung ist gem. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO als Vermögen einzusetzen, soweit das der Partei nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 SGB XII zu belassende Schonvermögen unangetastet bleibt. Jedenfalls nach Anhebung des Vermögensfreibetrags von Leistungsbeziehern der Sozialhilfe in § 1 der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII auf 10.000 € können die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Kosten nicht mehr typisierend durch einen weiteren Schonbetrag zusätzlich von der Abfindung abgesetzt werden.
Der Sachverhalt:
Dem ledigen und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichteten Kläger war für ein am 27.2.2023 eingeleitetes Kündigungsschutzverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Das Verfahren endete durch Vergleich, wobei sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2023 und die Zahlung einer Abfindung von 20.000 € brutto. Das Arbeitsgericht bestimmte den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf 27.300 € und für den Vergleich auf 31.300 €. Die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung setzte es auf 2.365 € fest.
Das Arbeitsgericht forderte den Kläger auf, Unterlagen u.a. zur Höhe der ausgezahlten Abfindung vorzulegen. Nachdem der Kläger die Schreiben unbeantwortet gelassen hatte, ermittelte es überschlägig unter Berücksichtigung eines Schonbetrages i.H.v. insgesamt 5.500 € ein einzusetzendes Vermögen aufgrund der ausgezahlten Abfindung i.H.v. 10.500 €. Es änderte den vorherigen Beschluss dahingehend ab, dass der Kläger einen einmaligen Betrag i.H. der Prozesskosten von 4.742 € aus seinem Vermögen zu zahlen habe.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde. Das Arbeitsgericht half dieser teilweise dahingehend ab, dass der Kläger – nunmehr unter Berücksichtigung eines Schonbetrages i.H.v. insgesamt 10.500 € - einen einmaligen Betrag i.H.v. 4.340 € aus seinem Vermögen zu zahlen habe. Der Kläger wies darauf hin, dass er die Nettoabfindung verbraucht habe, um seine rückständigen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Dazu legte er Kontoauszüge vor.
Das LAG hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen.
Die Gründe:
Das Arbeitsgericht war zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger aus der Abfindung einmalig einen Betrag von 4.340 € zu leisten hat.
Von der ausgezahlten Netto-Abfindung ist aufgrund der zum 1.1.2023 in Kraft getretenen Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII durch Art. 9 des BürgerGG vom 16.12.2022 ein Schonvermögen gem. § 1 Ziff. 1 i.H.v. 10.000 € in Abzug zu bringen. Daneben ist für das minderjährige Kind gem. Ziff. 2 ein weiteres Schonvermögen i.H.v. 500 € zu berücksichtigen. Nach der zum 1.1.2023 in Kraft getretenen Änderung des § 1 der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII ist daneben ein weiterer Schonbetrag nicht zu berücksichtigen.
Zwar hat das BAG mit Beschluss v. 24.4.2006 (3 AZB 12/05) entschieden, dass einer Partei neben dem Schonvermögen ein weiterer Betrag von der Abfindung verbleiben muss, da dem von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise Kosten - etwa für Bewerbungen, Fahrten sowie unter Umständen auch Schulungen und Umzug - entstehen. Diese Kosten ließen im Regelfall den Einsatz der gesamten Abfindung als unzumutbar i.S.v. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO erscheinen. Kein Regelfall liege etwa vor, wenn der Arbeitnehmer kurz nach dem Beendigungszeitpunkt bereits eine neue Stelle im selben Ort gefunden habe. Als Anhaltspunkt für die aus Gründen der Praktikabilität notwendige Typisierung der durch den Arbeitsplatzverlust entstehenden Kosten hat das BAG seinerzeit auf die Höhe des Schonbetrages abgestellt und hat diesen im Ergebnis in doppelter Höhe berücksichtigt.
Ausgehend davon war in der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nach Anhebung des Vermögensfreibetrags von Leistungsbeziehern der Sozialhilfe in § 1 der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII und mithin auch des Schonvermögens zum 1.4.2017 auf 5.000 € umstritten, ob und in welcher Höhe weiterhin eine Erhöhung des Schonbetrages für die Höhe der dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden Kosten vorzunehmen ist. An einer solchen Typisierung kann allerdings angesichts der weiteren, zum 1.1.2023 in Kraft getretenen Verdoppelung des Vermögensfreibetrags von Leistungsbeziehern der Sozialhilfe in § 1 der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von 5.000 € auf nunmehr 10.000 € nicht mehr festgehalten werden.
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