Otto Schmidt Verlag

LAG Köln v. 17.4.2025 - 6 SLa 542/24

Mutterschutz und Beginn des Kündigungsverbots

Der besondere Kündigungsschutz nach § 17 MuSchG beginnt nach der Berechnungsmethode des BAG 280 Tage vor dem errechneten Entbindungstermin. Während dieser Zeit ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich verboten, es sei denn es liegt eine behördliche Erlaubnis vor. Notwendige Voraussetzung für dieses Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist aber die rechtzeitige Mitteilung der Arbeitnehmerin an die Arbeitgeberin über diese Schwangerschaft - und nicht etwa über eine andere. Eine Mitteilung über eine ggfls. zuvor bestehende Schwangerschaft reicht daher nicht.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt eine Kleintierarztpraxis. Die 29-jährige Klägerin war bei der Beklagten seit 2019 zunächst als Auszubildende und ab Juni 2023 als tiermedizinische Fachangestellte beschäftigt. Gegenstand des Rechtsstreits war eine von der Beklagten ausgesprochene und am 27.7.2023 der Klägerin schriftlich zugegangene Kündigung, gegen die sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage gewandt hat, die sie mehr als vier Monate später, nämlich am 15.12.2023, beim Arbeitsgericht Köln erhoben hatte. Am 1.5.2024 gebar sie ihre Tochter.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei seit dem 14.7.2023 schwanger gewesen. Das ergebe sich aus den Schnelltests, die sie per Whatsapp der Beklagten am 17.7.2023 übersandt habe. Damit habe sie ihre Schwangerschaft angezeigt. Am Tag des Zugangs der Kündigung sei sie zumindest rechnerisch schwanger gewesen. Die Voraussetzungen des § 17 MuSchG, nämlich die Schwangerschaft und die Mitteilung über die Schwangerschaft, hätten somit im Zeitpunkt des Kündigungszugangs vorgelegen. Somit habe die Kündigung nur mit einer behördlichen Erlaubnis wirksam sein können. Eine solche liege aber nicht vor. Gem. § 4 Satz 4 KSchG habe die Klagefrist nicht zu laufen beginnen können.

Die Beklagte hat erklärt, die Klägerin habe mit Whatsapp vom 17.7.2023 von einer Schwangerschaft berichtet. Wegen des in einer Kleintierarztpraxis zwingend auszusprechenden Beschäftigungsverbots, habe sie sofort Kontakt mit einer ehemaligen Mitarbeiterin aufgenommen und mit dieser einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Der Ausspruch der Kündigung gegenüber der Klägerin sei erfolgt, nachdem diese am 24.7.2023 telefonisch mitgeteilt habe, am Wochenende sichere Anzeichen dafür erhalten zu haben, doch nicht schwanger zu sein und dass ein erneuter Schwangerschaftsschnelltest negativ gewesen sei. Die Klägerin sei am 24.7.2023 wieder zur Arbeit gekommen. Sie - die Beklagte - sei in der Situation gewesen, ab dem 1.8.2023 Arbeitsverhältnisse mit zwei Praxismitarbeiterinnen zu haben, was für sie wirtschaftlich nicht möglich gewesen sei. Sie habe vor der Entscheidung gestanden, welches der beiden Arbeitsverhältnisse sie kündigen müsse und habe sich für eine Kündigung der Klägerin entschieden.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage als verspätet abgewiesen. Die behandelnde Frauenärztin hatte im Verfahren ausgesagt, dass die Klägerin am 27.7.2023 noch nicht schwanger gewesen sein konnte. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Kündigung vom 27.7.2023 galt gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, weil ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6 KSchG) geltend gemacht worden war.

Zwar galt die Klägerin am 27.7.2023 i.S.d. § 17 MuSchG als schwanger. Das ergab sich aus der Berechnungsmethode, die das BAG in ständiger Rechtsprechung anwendet (zuletzt BAG v. 24.11.2022 - 2 AZR 11/22). Unterstellt man den nach Ultraschall prognostizierten Geburtstermin am 27.4.2024 und rechnet von dort 280 Tage zurück, so ergibt sich der 22.7.2023 als der erste Tag des berücksichtigungsfähigen Zeitraums. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs war der Beklagten aber die Schwangerschaft i.S.d. § 17 Abs. 1 MuSchG nicht bekannt.

Von der Schwangerschaft, die zur Geburt der Tochter der Klägerin am 1.5.2024 führte, wusste die Beklagte im Zeitpunkt des Kündigungszugangs nichts. Erstmals mit Übersendung des Attests vom 5.9.2023, also mehr als einen Monat nach Kündigungszugang, hat die Klägerin die Beklagte über diese Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt. Dabei ergab sich aus dem Attest mit dem dort mitgeteilten voraussichtlichen Entbindungstermin am 5.5.2024 selbst nach der Berechnungsmethode des BAG keine Schwangerschaft im Zeitpunkt des Kündigungszugangs, sondern erst ab dem 30.7.2023.

Mit der Mitteilung vom 17.7.2023 über die drei positiven Schwangerschaftstests vom 14.7.2023 hatte die Klägerin die Beklagte nicht über diese Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt. Unerheblich war, ob die Klägerin der Beklagten, wie diese behauptete, am 24.7.2023 mitgeteilt hatte, sie sei nicht mehr schwanger. Denn es war ausgeschlossen, dass eine Schwangerschaft, die bereits am 14.7.2023 mit einem Schwangerschaftsschnelltest nachweisbar gewesen wäre, diejenige Schwangerschaft war, die zur Geburt der Tochter am 1.5.2024 geführt hat.

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Aufsatz
Kerstin Plack
Work und Life – zwei Seiten einer Medaille
ZFA 2025, 195
ZFA0077654

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.05.2025 09:53
Quelle: Justiz NRW

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