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LAG Niedersachsen v. 18.3.2025 - 4 SLa 755/24

Zu viel bezahlt! Ist positive Kenntnis eines Leistenden von der Nichtschuld für eine Rückforderung notwendig?

Nach § 814 Alt. 1 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Das Erfordernis der positiven Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld i.S.v. § 814 BGB kann nicht durch die Zurechnung des Wissens anderer entsprechend § 166 Abs. 1 BGB ersetzt werden.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte war vom 14.2.2022 bis zum 31.8.2022 als IT-Systems Engineer Netzwerk- und Security beim Landesamt für Steuern Niedersachsen beschäftigt. Das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV) hatte der Beklagten für den Zeitraum 1.9.2023 bis 31.12.2023 das bisherige tarifliche Arbeitsentgelt weiter fortgezahlt. Streitig blieb, ob die Beklagte am 6.10.2022 ein Schreiben datierend auf den 4.10.2022 in den Briefkasten des NLBV geworfen hatte mit der Information, dass sie trotz Kündigung weitere Gehaltszahlungen erhalte. Das enthalte nach Angaben der Beklagten weder ihre Personalnummer noch ein Az. Und richtete sich auch nicht an einen konkreten Ansprechpartner/Sachbearbeiter.

Das klagende Land hat die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung der Überzahlung i.H.v. 13.235 € (netto) aufgefordert. Die Beklagte hat im Laufe des Verfahrens auf Rückerstattung der überzahlten Vergütung mit Widerklage auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit der Note "gut" erhoben. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das LAG hat den Antrag der Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zurückgewiesen.

Die Gründe:
Es fehlte an den hinreichenden Erfolgsaussichten für das Berufungsverfahren. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung des unstreitig überzahlten Entgelts gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nebst Zinsen verurteilt.

Nach § 814 Alt. 1 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Zweck der Vorschrift ist es, widersprüchliches Verhalten des Leistenden zu verhindern, bei welchem einerseits in Kenntnis der Nichtschuld geleistet wird und trotz dieser Kenntnis die Leistung später zurückgefordert werden soll. Das Erfordernis der positiven Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld i.S.v. § 814 BGB kann nicht durch die Zurechnung des Wissens anderer entsprechend § 166 Abs. 1 BGB ersetzt werden.

Von einem widersprüchlichen Verhalten kann nicht schon dann ausgegangen werden, wenn - wie hier - das Schreiben der Beklagten vom 4.10.2022 dem NLBV tatsächlich zugegangen ist. Da eine Zurechnung des Wissens entsprechend § 166 Abs. 1 BGB nicht stattfindet, wäre es an der Beklagten vorzutragen, dass die die Zahlung bearbeitenden und/oder anweisende Person Kenntnis von der fehlenden Verpflichtung zur Leistung gehabt hatte. Hierfür lagen aber keine Anhaltspunkte vor.

Unerheblich war, ob dies anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn die Beklagte ihr Schreiben konkret an den aus der Entgeltabrechnung ergebenden Ansprechpartner gerichtet hätte. Die Beklagte hatte das Schreiben ganz allgemein, ohne Benennung des Ansprechpartners oder ihrer Personalnummer an das NLBV gerichtet. Sollte nach einer Beweisaufnahme feststehen, dass dem NLBV das Schreiben tatsächlich zugegangen war, mag dies für sich genommen den Vorwurf mangelnder Organisation rechtfertigen. Der Zugang allein belegt aber nicht, dass auch die leistende Person Kenntnis von der fehlenden Verpflichtung hatte und sie sich widersprüchlich verhält, wenn sie das Entgelt nunmehr zurückverlangt.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.04.2025 14:21
Quelle: Niedersächsisches Landesjustizportal

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