Otto Schmidt Verlag

Aktuell im ArbRB

Krankschreibung mittels Videosprechstunde und Telefon (Windeln/de Kruijff, ArbRB 2024, 250)

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf Grundlage von § 92 Abs. 4a SGB V am 7.12.2023 eine Änderung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie beschlossen und unter bestimmten Voraussetzungen die telefonische Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit ermöglicht. Bereits zuvor war die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie mit Beschluss vom 19.11.2021 um die Möglichkeit zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung per Videosprechstunde ergänzt worden. Der nachfolgende Beitrag erläutert die Auswirkungen dieser Änderungen und beleuchtet dabei insb. Fragen des Beweiswertes im Zusammenspiel mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.


I. Ausgangspunkt: Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf Arbeitsunfähigkeit

1. AU-Bescheinigung

2. Zweifel des Arbeitgebers

II. Änderungen durch elektronische AU-Bescheinigung

1. Elektronisches Meldeverfahren

2. Schwäche des Verfahrens

3. Diskutierte Lösungsansätze

a) Informationen von der Krankenkasse

b) Informationen vom Arbeitnehmer

4. Lösung über den Beweiswert

a) Einordnung der elektronischen AU-Bescheinigung

b) Konsequenz

III. Auswirkungen der geänderten Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie

1. Videosprechstunde

2. Telefonische Feststellung

3. Beweiswert einer Krankschreibung mittels Ferndiagnose

4. Fehlende Kenntnis des Arbeitgebers

IV. Fazit


I. Ausgangspunkt: Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf Arbeitsunfähigkeit

1. AU-Bescheinigung


Ein Arbeitnehmer, der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall begehrt, trägt nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er arbeitsunfähig erkrankt ist. Im Regelfall geschah dies durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung), die ein Arzt aufgrund einer zuvor unmittelbar persönlich erfolgten Untersuchung ausgestellt hatte.

Die Rechtsprechung geht seit langem davon aus, dass einer ordnungsgemäß ausgestellten AU-Bescheinigung aufgrund der normativen Vorgaben in §§ 5, 7 EFZG ein hoher Beweiswert für das tatsächliche Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zukommt. Legt der Arbeitnehmer eine AU-Bescheinigung vor, kann hiermit grds. der Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht angesehen werden.

2. Zweifel des Arbeitgebers

Nur, wenn der Arbeitgeber tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die ernsthafte Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit begründen, kann er den Beweiswert einer vorgelegten AU-Bescheinigung erschüttern.

Beraterhinweis Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit können sich aus der AU-Bescheinigung selbst bzw. aus der Art ihres Zustandekommens ergeben, etwa dann, wenn der ausstellende Arzt gegen Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und deren Bescheinigung verstoßen hat.

Zweifel können zudem aus Erklärungen oder dem Verhalten des Arbeitnehmers vor oder während der Fehlzeit erwachsen. Auch die zeitliche Koinzidenz zu einer laufenden Kündigungsfrist kann Zweifel an einer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründen.

Beraterhinweis Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber gem. § 275 Abs. 1a SGB V eine (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.09.2024 13:23
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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