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Politische Äußerungen und Tätigkeiten von Arbeitgebern - Was ist erlaubt? - Über die Zulässigkeit von Wahlaufrufen, Wahlempfehlungen und weiteren politischen Statements des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten (Laber, ArbRB 2024, 247)

In jüngerer Zeit haben Unternehmer rechte Strömungen in Deutschland kritisch beobachtet, kommentiert und dabei deutlich anklingen lassen, wo sie politisch stehen. Der Unternehmer Reinhold Würth ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat sich in einem Schreiben an alle Mitarbeiter der Würth-Gruppe offen gegen die AfD positioniert und gleichzeitig davor gewarnt, bei den kommenden Wahlen aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen. Ist eine solche Positionierung zulässig bzw. wann überschreiten Arbeitgeber die Grenze zu einer womöglich unzulässigen Beeinflussung der Beschäftigten?

I. Politische Betätigung von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz
II. Politische Betätigung von Arbeitgebern am Arbeitsplatz

1. Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG
2. Verbot der parteipolitischen Betätigung, § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG
a) Normadressaten
b) Verbotene Handlungen
aa) Räumlicher Geltungsbereich des Verbots
bb) Beschränkung auf aktives Tun
cc) Parteipolitische Betätigung
3. Allgemeinpolitische Betätigung, § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG
a) Allgemeine Grundsätze
b) Beispiele
4. Rechtsfolgen
III. Resümee


I. Politische Betätigung von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz
Rechtlich weitgehend geklärt ist die Situation der politischen Betätigung von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz. Soweit diese nicht ihre eigene Arbeitspflicht verletzen, sind nach ganz h.M. in Rechtsprechung und Literatur politische Diskussionen und Betätigungen im Betrieb grds. zulässig.

Das Recht, die eigene politische Meinung zu äußern, ist verfassungsrechtlich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Die so gewährleistete Meinungsfreiheit gilt zwar nicht unmittelbar zwischen den Arbeitsvertragsparteien; sie wirkt jedoch über die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln auf das Arbeitsrecht ein (sog. mittelbare Drittwirkung).

Beeinträchtigt die Meinungsäußerung eines Arbeitnehmers schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers oder eines anderen Beschäftigten, kann er sich nicht uneingeschränkt auf seine grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit berufen. Diese wird gem. Art. 5 Abs. 2 GG durch das Recht der persönlichen Ehre sowie die allgemeinen Gesetze beschränkt. Das BAG konkretisiert diese Schranke und stellt auf die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB ab. Danach haben Arbeitnehmer alles zu unterlassen, was zu einer deutlichen Störung des Arbeitsablaufs führen könnte.

Beispiel
Dazu können Meinungsäußerungen zählen, die den übrigen Beschäftigten die Erfüllung ihrer Arbeitspflicht erschweren oder unmöglich machen, z.B. durch unangemessene Überziehung der Pausen zum Zwecke parteipolitischer Agitation.

Die einfache parteipolitische Betätigung eines Arbeitnehmers im Sinn einer Meinungsbekundung oder eines Dafürhaltens begründet dagegen keine Vermutung für eine konkrete Störung. Arbeitnehmer haben jede provozierende parteipolitische Betätigung zu unterlassen, durch die sich andere Beschäftigte belästigt fühlen oder durch die der Betriebsfriede oder Betriebsablauf in sonstiger Weise konkret gestört oder die Erfüllung der Arbeitspflicht beeinträchtigt wird.

II. Politische Betätigung von Arbeitgebern am Arbeitsplatz
Fraglich ist, welche Rechte und Pflichten Arbeitgeber in Bezug auf politische Betätigung am Arbeitsplatz haben. Ausgangspunkt der Überlegungen ist auch hier Art. 5 GG.

1. Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG steht im Arbeitsverhältnis auch dem Arbeitgeber zu. Die Meinungsfreiheit ist freilich nicht schrankenlos (vgl. Art. 5 Abs. 2 GG).

2. Verbot der parteipolitischen Betätigung, § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG
§ 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als allgemeines Gesetz i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG untersagt Arbeitgebern jede Betätigung, durch die der Arbeitsablauf oder der Betriebsfriede konkret beeinträchtigt wird. § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG beschränkt jede parteipolitische Betätigung im Betrieb.

a) Normadressaten
Normadressaten von § 74 Abs. 2 BetrVG sind Arbeitgeber und der Betriebsrat. Die Bestimmung wendet sich nicht gegen die Meinungsäußerung als solche, sondern ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.08.2024 17:31
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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