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Praxisfallen beim Einsatz von Transfergesellschaften - Was ist arbeits- und steuerrechtlich zu beachten? (Schuster/Marchal, ArbRB 2024, 209)

Die Begleitung von Unternehmen bei Restrukturierungen gehört zu den spannendsten Aufgaben anwaltlicher Beratung und gilt als "Königsdisziplin" arbeitsrechtlicher Tätigkeit. Bei Interessensausgleichs- und Sozialplanverhandlungen unter Einbeziehung von Transfergesellschaften drohen schließlich neben arbeitsrechtlichen Fallen auch solche aus dem Sozialversicherungs- und Steuerrecht. Welche das sein können und was dabei zu beachten ist, zeigt dieser Beitrag auf.

I. Funktionsweise und Vorteile von Transfergesellschaften
II. Voraussetzungen für den Einsatz einer Transfergesellschaft
III. Gestaltungshinweise für die Übertragung von Abfindungen

1. Klauseln zur Abfindungsübertragung im Transfersozialplan
2. Voraussetzungen für die Übertragung von Abfindungen als Bruttobeträge
a) Arbeitslohn im steuerrechtlichen Sinn
b) Zufluss des Arbeitslohns
IV. Umsatzsteuerliche Behandlung von Zahlungen an die Transfergesellschaft
1. Vom Arbeitgeber zu leistende Zahlungen
2. Umsatzsteuerliche Behandlung
V. Fazit


I. Funktionsweise und Vorteile von Transfergesellschaften

Unternehmen, die zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit Personal entlassen müssen, setzen bei der Umsetzung solcher Maßnahmen wieder verstärkt auf Transfergesellschaften. Dies erlaubt es ihnen, den Personalabbau sozialverträglich zu gestalten und ihre Reputation als Arbeitgeber nicht zu gefährden. Gleichzeitig können sie dadurch kosten- und zeitintensive Kündigungsschutzverfahren vermeiden und den Personalabbau schnell umsetzen, idealerweise und in der Regel unter Verkürzung der Kündigungsfrist.

Transfergesellschaften übernehmen die vom Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer für bis zu zwölf Monate in ein befristetes Arbeitsverhältnis. Dadurch vermeidet der Arbeitgeber ihre Entlassung und verbessert die Vermittlungsaussichten. Ziel ist es, die Arbeitnehmer über die Transfergesellschaft in neue Beschäftigungsverhältnisse zu bringen.

Einer aktiven Beschäftigung gehen Arbeitnehmer in einer Transfergesellschaft nicht nach. Ihre Vergütung finanziert sich über den Bezug von Transferkurzarbeitergeld (60 % bzw. 67 % der Nettoentgeltdifferenz) von der Agentur für Arbeit, § 111 SGB III. Dieses stockt der Arbeitgeber in der Regel auf 80 % der bisherigen Nettovergütung auf. Aufgrund dieser Aufstockungsleistungen erhalten Arbeitnehmer während ihrer Verweildauer in der Transfergesellschaft eine höhere Vergütung als beim Bezug von Arbeitslosengeld im Anschluss an eine Kündigung.

II. Voraussetzungen für den Einsatz einer Transfergesellschaft
Eine Restrukturierung über eine Transfergesellschaft ist allerdings nur möglich, wenn sie eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG darstellt. Liegt eine solche nicht vor, fehlt es an den Fördervoraussetzungen für das Transferkurzarbeitergeld und damit an einem wesentlichen finanziellen Baustein für den avisierten Personalabbau.

Beraterhinweis
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn eine Betriebsänderung aus einem reinen Personallabbau besteht, der die vom BAG entwickelten Erheblichkeitsschwellenwerte des § 111 BetrVG knapp verfehlt. Um in einer solchen Situation die Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld und damit einen Personalabbau über eine Transfergesellschaft sicherzustellen, bietet es sich an, den Umfang der geplanten Betriebsänderung neu zu kalibrieren.

Nach § 110 Abs. 1 Satz 3 SGB III kann eine förderfähige Transfermaßnahme zwar auch in betriebsratslosen Betrieben und unabhängig von der Unternehmensgröße vorliegen. Gleichwohl werden Transfergesellschaft in der Regel in Betrieben mit Betriebsräten eingesetzt. Ihre Konditionen sind dann Bestandteil der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen und werden in einem Transfersozialplan festgehalten. Dabei darf die Beratung der Betriebsparteien durch die Agentur für Arbeit nach § 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III vor Abschluss des Interessenausgleichs bzw. Sozialplans nicht vergessen werden. Andernfalls fehlt es an einer ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.07.2024 15:13
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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