EuGH v. 11.7.2024 - C-196/23
Die Richtlinie über Massenentlassungen gilt auch im Fall des Eintritts des Arbeitgebers in den Ruhestand
Der EuGH hat entschieden, dass die Richtlinie über Massenentlassungen auch im Fall des Eintritts des Arbeitgebers in den Ruhestand gilt. Er erklärte damit ein spanisches Gesetz für unwirksam, das kein Verfahren zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter vorsah für den Fall, dass die Beendigungen der Arbeitsverhältnisse dadurch verursacht wurden, dass der Arbeitgeber in den Ruhestand tritt.
Der Sachverhalt:
Ein Unternehmer trat in den Ruhestand. Dies führte zur Beendigung der 54 Arbeitsverträge in den acht Betrieben seines Unternehmens. Acht Arbeitnehmer fochten die Entlassung an, die sie für rechtswidrig halten. Ihre Klage wurde abgewiesen. Das mit der Berufung befasste spanische Gericht hat über die Wirksamkeit der Beendigungen der Arbeitsverträge zu befinden.
Das spanische Gesetz sieht für den Fall einer Massenentlassung ein Verfahren zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter vor. Dieses Verfahren findet allerdings keine Anwendung, wenn die Beendigungen dadurch verursacht wurden, dass der Arbeitgeber, eine natürliche Person, in den Ruhestand tritt. Das spanische Gericht ist unsicher, ob dieser Ausschluss mit der Unionsrichtlinie über Massenentlassungen vereinbar ist. Daher hat es den Gerichtshof zu diesem Punkt befragt.
Der EuGH entschied, dass die Richtlinie über Massenentlassungen auch im Fall des Eintritts des Arbeitgebers in den Ruhestand gilt.
Die Gründe:
Das Hauptziel der Richtlinie besteht darin, dass vor Massenentlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern stattfinden und die zuständige Behörde entsprechend unterrichtet wird. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH liegt eine Massenentlassung im Sinne der Richtlinie vor, wenn Beendigungen von Arbeitsverträgen ohne Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer erfolgen.
Daher ist das spanische Gesetz mit der Richtlinie unvereinbar. Diese findet nämlich im Fall des Eintritts des Arbeitgebers in den Ruhestand Anwendung, sofern die vorgesehenen Schwellenwerte für Entlassungen erreicht sind. Dieser Fall kann nicht mit dem Fall des Todes des Arbeitgebers – für den zuvor entschieden wurde, dass die Richtlinie keine Anwendung findet (EuGH v. 10.12.2009 - C-323/08) – gleichgesetzt werden, da ein Arbeitgeber, der in den Ruhestand tritt, im Gegensatz zu einem verstorbenen Arbeitgeber grundsätzlich in der Lage ist, Konsultationen durchzuführen, um u.a. die Beendigungen zu vermeiden, ihre Zahl zu verringern oder jedenfalls ihre Folgen abzumildern.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Wirksame Massenentlassungsanzeige trotz Fehlens der Soll-Angaben
BAG vom 19.5.2022 - 2 AZR 467/21
ZIP 2022, 1559
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