Aktuell im ArbRB
Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Wartezeitkündigungen (Kleinebrink, ArbRB 2024, 183)
Bei einer fristgerechten Kündigung in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses ist neben dem Betriebsrat ggf. auch die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten und anzuhören. Wird dieses Beteiligungsrecht verletzt, ist die Wartezeitkündigung allein deswegen unwirksam. Der Beitrag zeichnet alle Voraussetzungen der ordnungsgemäßen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach.
I. Bedeutung der ordnungsgemäßen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
II. Beteiligung auch während der Wartezeit
III. Keine Parallelität mit Zustimmungspflicht des Integrationsamtes
IV. Fehlende Bedeutung der Art der Kündigung
V. Kenntnis von Gleichstellung oder Schwerbehinderung als Beteiligungsvoraussetzung?
1. Fragestellung und Zeitpunkt
2. Beteiligung des Integrationsamtes
3. Antragstellung in der Wartezeit
VI. Ordnungsgemäße Unterrichtung
1. Bestehen einer Schwerbehindertenvertretung
2. Adressat
3. Zeitpunkt
4. Umfang
a) Herleitung
b) Übertragung auf Schwerbehindertenvertretung
5. Form
VII. Ordnungsgemäße Anhörung
1. Frist
2. Inhalt der Stellungnahme
VIII. Folgen eines Verstoßes
IX. Mitteilung der Entscheidung des Arbeitgebers
X. Zusammenfassung
I. Bedeutung der ordnungsgemäßen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
Ein Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einzelne oder schwerbehinderte Menschen als Gruppe berühren, nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne Beteiligung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ausspricht, ist nach § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX unwirksam.
Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat sind unterschiedliche und eigenständige Interessenvertretungen für die Arbeitnehmer im Betrieb.
Beraterhinweis Für eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers genügt es deshalb regelmäßig nicht, ihr lediglich das an den Betriebsrat gerichtete Anhörungsschreiben zur Kenntnisnahme zuzuleiten.
II. Beteiligung auch während der Wartezeit
Ein Arbeitgeber hat eine Schwerbehindertenvertretung vor einer beabsichtigten Kündigung auch dann zu beteiligen, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden hat.
§ 1 Abs. 1 KSchG sieht zwar vor, dass die – fristgerechte – Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat, nicht daraufhin überprüft wird, ob sie sozial gerechtfertigt ist. Diese Vorschrift schränkt allerdings die Rechte der Schwerbehindertenvertretung nicht ein, da § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX als Spezialvorschrift keine zeitliche Einschränkung der Zuständigkeit enthält. Eine Beteiligung hat unabhängig davon zu erfolgen, wie lange das Arbeitsverhältnis bestanden hat.
III. Keine Parallelität mit Zustimmungspflicht des Integrationsamtes
Das Recht der Schwerbehindertenvertretung auf Beteiligung wird nicht dadurch begrenzt, dass die grds. nach § 168 SGB IX vor einer Kündigung erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht erforderlich ist, wenn die fristgerechte Kündigung in der Wartezeit zugeht.
Diese Vorschrift bezieht sich nur auf das Integrationsamt, nicht auf die Schwerbehindertenvertretung. Außerdem schränkt die Norm lediglich den Anwendungsbereich der Vorschriften des 4. Kapitels des SGB IX ein; die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung finden sich aber im 5. Kapitel.4
Beraterhinweis § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX ist daher auf die Beteiligung (...)