Otto Schmidt Verlag

LAG Berlin-Brandenburg v. 22.5.2024 - 26 Ta (Kost) 6096/23

Gegenstandswert für eine Kündigungsschutzklage im Zusammenhang mit Virtuellen Optionen

Bei Virtuellen Optionen handelt es sich um die Einräumung von Chancen. Ob es jemals zu einem Zufluss kommt, ist nach den Optionsbedingungen ungewiss. Zudem fehlt es ihnen an der Fungibilität. Nach bisheriger BAG-Rechtsprechung stellen auch Aktienoptionen im Gegensatz zu anderen Sonderleistungen, die an den Gewinn oder Umsatz des Unternehmens in einem Geschäftsjahr anknüpfen oder individuelle Leistungen des Arbeitnehmers innerhalb einer bestimmten, überschaubaren Periode zusätzlich honorieren, weniger Gegenleistung für erbrachte Leistungen, sondern vielmehr Gewinnchance und Anreiz für zukünftigen Einsatz dar.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte gegen eine ordentliche Kündigung vom 14.7.2023 zum 31.10.2023 geklagt. Er erhielt zuletzt eine Vergütung i.H.v. 9.583 € brutto. Ab Mai 2020 hatte er an einem „Virtuellen Optionsprogramm“ teilgenommen. Dadurch sollte ein auf eine Beteiligung am Eigenkapital der Gesellschaft gerichtetes Optionsprogramm nachgebildet werden. Dem Kläger 420 sog. „Virtuelle Optionen“ übertragen worden, die im Wege eines Vestings über 48 Monate angespart werden mussten. Diese entsprachen zum Zeitpunkt der Vereinbarung einem Strike-Preis i.H.v. 34.209 €. Der Ansparzeitraum hätte am 30.4.2024 geendet.

Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht endete mit einem Vergleich. Die Klägervertreter haben die Festsetzung des Gegenstandswerts für den Kündigungsschutzantrag auf 356.679 € beantragt. Eine Virtuelle Option habe nach der letzten Unternehmensbewertung einen Wert i.H.v. 11.064 € gehabt. Damit hätten dem Kläger neben dem Grundgehalt i.H.v. 9.583 € jeweils 8,75 Virtuelle Optionen im Wert von 11.064 € zugestanden. Die Optionen seien Bestandteil der Vergütung und damit als Arbeitsentgelt zu qualifizieren. Dem stehe die Nichtfungibilität nicht entgegen.

Die Beklagte war der Ansicht, dass der Wert nicht mit einem realisierbaren Zahlungsanspruch gleichgesetzt werden könne. Die Optionen könnten nicht wie Aktien an der Börse gehandelt werden. Der Wert könne auch nicht tagesaktuell verfolgt werden. Im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses könne er nicht festgestellt werden, insbesondere auch nicht, ob er jemals tatsächlich realisierbar sei.

Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert auf 38.333 € festgesetzt (drei Bruttoeinkommen für den Kündigungsschutzantrag und ein Bruttoeinkommen für den Weiterbeschäftigungsantrag, den der Kläger nach seiner Begründung für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag angekündigt hatte). Das LAG hat die Entscheidung im Beschwerdeverfahren bestätigt.

Die Gründe:
In der vorliegenden Konstellation wirkten sich die Virtuellen Optionen nicht auf den Gegenstandswert für den Kündigungsschutzantrag aus.

Die Vereinbarung über die Optionen war nicht Gegenstand der Vergütungsregelung im Arbeitsvertrag. Dem Kläger war vielmehr zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit eröffnet worden, am Optionsprogramm der Beklagten teilzunehmen. In den Optionsbedingungen war klargestellt, dass die Virtuellen Optionen dem Optionsberechtigten als Anreiz für Engagement und Kommittment für die künftige Tätigkeit gewährt wird und „explizit nicht als Vergütung“ für in der Vergangenheit liegende Tätigkeiten.

Bei den Virtuellen Optionen handelt es sich um die Einräumung von Chancen. Ob es jemals zu einem Zufluss kommt, ist nach den Optionsbedingungen ungewiss. Zudem fehlt es ihnen an der Fungibilität. Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses – wie hier - ein nicht handelbares Optionsrecht gewährt, fließt ihm ein geldwerter Vorteil erst zu, wenn dieser die Option ausübt und der „Kurswert“ den Übernahmepreis übersteigt. In diesem Fall wird der geldwerte Vorteil regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine zusätzliche Erfolgsmotivation für die Zukunft zu schaffen (vgl. BAG 28.5.2008 – 10 AZR 351/07).

Nach bisheriger BAG-Rechtsprechung stellen auch Aktienoptionen im Gegensatz zu anderen Sonderleistungen, die an den Gewinn oder Umsatz des Unternehmens in einem Geschäftsjahr anknüpfen oder individuelle Leistungen des Arbeitnehmers innerhalb einer bestimmten, überschaubaren Periode zusätzlich honorieren, weniger Gegenleistung für erbrachte Leistungen, sondern vielmehr Gewinnchance und Anreiz für zukünftigen Einsatz dar (so auch LAG München v. 7.2. 2024 – 5 Sa 98/23, Revision eingelegt unter 10 AZR 67/24).

Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation haben die virtuellen Optionen kostenrechtlich keinen Einfluss auf den Gegenstandswert für den Kündigungsschutzantrag. Es besteht kein kostenrechtlich relevanter Bezug der individuellen Leistungen des Klägers zu den mit den Virtuellen Optionen verbundenen Chancen. Es besteht bei Realisierung der Chancen nach dem Inhalt der Regelung allerdings die insoweit nicht ausreichende Möglichkeit, dass die Betriebstreue belohnt wird.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Arbeitsrecht
Für klare Verhältnisse sorgen: Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht. Topaktuell mit Fachinformationen rund um die Corona-Krise. Zahlreiche bewährte Formulare auch mit LAWLIFT bearbeiten! Neuauflage Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren. Grundlagen, Praxis, über 100 Muster. Hier online nutzen. 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.05.2024 12:12
Quelle: Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank

zurück zur vorherigen Seite