Otto Schmidt Verlag

LAG Berlin-Brandenburg v. 26.1.2024 - 26 Ta (Kost) 6005/24

Festsetzung des Gegenstandswerts bei Streit über Zwischen- und Endzeugnis sowie Entfernung von Abmahnungen

Wird zugleich über ein Zwischen- und - ggf. auch nur hilfsweise - über ein Endzeugnis gestritten und wird zu beiden Zeugnisvarianten eine inhaltlich korrespondierende oder überhaupt nur eine Regelung getroffen, so betrifft der Gesamtkomplex das Zeugnisinteresse insgesamt nur einmal. Der Gegenstand "Entfernung von unmittelbar vor einer verhaltensbedingten Kündigung ausgesprochenen Abmahnungen aus der Personalakte" in einem Vergleich ist mit dem Wert für den die verhaltensbedingte Kündigung betreffenden Kündigungsschutzantrag abgegolten.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über eine verhaltensbedingte Kündigung vom 14.11.2023, der vier Abmahnungen vom 2., 4., 6. und 9.10.2023 vorausgegangen waren.

Die Klägerin kündigte in der Klageschrift u.a. einen Kündigungsschutzantrag und einen Antrag auf Verurteilung zur Abgabe eines Zwischenzeugnisses an, hilfsweise im Falle des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Verurteilung zur Erteilung eines Endzeugnisses. In einem Vergleich vom 8.1.2024 einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Entfernung von vier Abmahnungen aus der Personalakte sowie die Zahlung einer Abfindung und die Erstellung eines Zwischenzeugnisses sowie eines Endzeugnisses.

Das ArbG setzte den Gegenstandswert für das Verfahren auf 33.009 € fest. Dabei setzte es für den Kündigungsschutzantrag drei Bruttoeinkommen und für die Zeugnisanträge ein Bruttoeinkommen an. Mit ihrer Beschwerde machen die Klägervertreter geltend, für die Einigung über die Entfernung der vier Abmahnungen müsse ein Vergleichsmehrwert i.H.v. vier Bruttoeinkommen und für die Regelung über die Erteilung der beiden Zeugnisse jeweils ein Bruttoeinkommen festgesetzt werden.

Das ArbG half der Beschwerde nicht ab. Die Beschwerde blieb auch vor dem LAG ohne Erfolg.

Die Gründe:
Es ist kein Vergleichsmehrwert angefallen. Soweit der Vergleich eine Regelung bzgl. der Zeugnisse beinhaltet, ist das bereits darauf zurückzuführen, dass der Gegenstand durch den für das Verfahren festgesetzten Betrag abgegolten ist. Das ArbG hat insoweit zutreffend ein Bruttoeinkommen in Ansatz gebracht.

Wird zugleich über ein Zwischen- und - ggf. auch nur hilfsweise - ein Endzeugnis gestritten und wird zu beiden Zeugnisvarianten eine inhaltlich korrespondierende oder letztlich überhaupt nur eine Regelung getroffen, so betrifft der Gesamtkomplex das Zeugnisinteresse insgesamt nur einmal. Denn dann geht es im Kern um die Darstellung einer Tätigkeit und eine Beurteilung von Leistung und Führung in einem engen zeitlichen Zusammenhang. In diesem Fall ist für eine unterschiedliche bzw. abweichende Darstellung oder Beurteilung in beiden Varianten des Arbeitszeugnisses regelmäßig kein Raum, jedenfalls, wenn Anlass oder Notwendigkeit einer zwischenzeitlichen und ggf. abweichenden Neubeurteilung nicht erkennbar sind. Bei der gebotenen Betrachtung nach dem Interesse der klagenden Partei sind Zwischen- und Endzeugnis dann regelmäßig wertidentisch. Etwaige Begleitangaben begründen insoweit keinen in einem zusätzlichen Ansatz auszudrückenden Mehrwert.

So liegt der Sachverhalt hier. Es bestand von Anfang an ein unmittelbarer zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang. Das Endzeugnis war gerade für den Fall der Erfolglosigkeit der Klage geltend gemacht worden. Im Vergleich sind dann ein Zwischen- und ein Endzeugnis vereinbart worden. Hinsichtlich des Endzeugnisses waren damit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 GKG erfüllt. Der Umstand, dass es auch in dem Vergleich sowohl um ein Zwischen- als auch um ein Beendigungszeugnis gegangen ist, führt nicht dazu, dass zwei Bruttoeinkommen anzusetzen wären. Der zeitliche und inhaltliche Zusammenhang wird hier gerade auch durch den Vergleichsinhalt deutlich. Bei beiden Zeugnissen sollte die Klägerin berechtigt sein, "auf das erteilte Zeugnis Änderungswünsche vorzubringen, die die Beklagte übernehmen wird". Beide Zeugnisse sollten die Note "sehr gut" in allen Elementen beinhalten. Zwischen dem Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs und dem der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses lag kein wesentlicher Zeitraum. Zudem ist die Klägerin ab dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses von der Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt worden.

Die Reglung unter Nr. 1 des Vergleichs über die Verpflichtung der Beklagten zur Entfernung der vier Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin hat einen Vergleichsmehrwert ebenfalls nicht ausgelöst. Der Gegenstand "Entfernung von unmittelbar vor einer verhaltensbedingten Kündigung ausgesprochenen Abmahnungen aus der Personalakte" in einem Vergleich ist mit dem Wert für den die verhaltensbedingte Kündigung betreffenden Kündigungsschutzantrag abgegolten. Die vier in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang kurz vor Ausspruch der verhaltensbedingten Kündigung in einem Abstand von jeweils zwei bis drei Tagen ausgesprochenen Abmahnungen sind von dem Streitgegenstand "verhaltensbedingte Kündigung" umfasst. Das schließt eine gesonderte Bewertung aus. Auf die Frage, welche Bedeutung die Entfernung der Abmahnung für die Klägerin vor dem Hintergrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch hatte, kommt es daher im Ergebnis nicht an.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.02.2024 15:51
Quelle: Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank

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