Otto Schmidt Verlag

BAG v. 18.10.2023 - 5 AZR 68/23

Abberufung eines Abfallbeauftragten unterliegt einer gerichtlichen Überprüfung nach § 315 BGB

Wird ein Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis unter Erweiterung seines Arbeitsvertrags um die mit diesem Amt verbundenen Aufgaben zum Abfallbeauftragten bestellt, unterliegt seine nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz einseitig mögliche Abberufung, mit der der Arbeitgeber auch die Anpassung des Vertrags rückgängig machen will, einer gerichtlichen Überprüfung nach § 315 BGB.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1993 beim beklagten selbstständigen Kommunalunternehmen beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden zwischenzeitlich aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Kläger erhielt zuletzt eine Vergütung entsprechend Entgeltgruppe 13 TVöD-K.

Im März 1994 hatte die Beklagte den Kläger zum Betriebsbeauftragten für Abfall bestellt. Diese Bestellung nahm sie 1998 nochmals vor. Mit Schreiben vom 31.3.2017 widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers und bestellte zum 1.4.2017 einen externen Abfallbeauftragten. In der Folge verhandelten die Parteien über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. den zukünftigen Inhalt der Tätigkeit des Klägers. Mit Wirkung zum 1.7.2018  wies die Beklagte dem Kläger eine Stelle als Sachbearbeiter mit Sonderaufgaben im Projektmanagement der Themenfelder Medizintechnik zu.

Der Kläger war der Ansicht, seine Abberufung als Abfallbeauftragter sei unwirksam. Sie verstoße gegen das Benachteiligungsverbot und sei nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Beklagte hielt dagegen, die Abberufung des Klägers sei zwingende Konsequenz der unternehmerischen Entscheidung gewesen, aus wirtschaftlichen und prozessoptimierenden Gründen einen externen Abfallbeauftragten zu bestellen. Der Klage stehe der Einwand der Verwirkung entgegen. Der Kläger habe sich zweieinhalb Jahre nach der Abberufung nicht mehr gerichtlich gegen diese zur Wehr setzen können.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Rechtsstellung des Klägers als Betriebsbeauftragter für Abfall nicht durch die Abberufung der Beklagten vom 31.3.2017 beendet worden sei. Das LAG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil der Vorinstanz abgeändert und den Feststellungsantrag abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Das LAG rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Abberufung des Klägers keiner gerichtlichen Überprüfung unterliege.

Die Frage, welchen Wirksamkeitsvoraussetzungen die Abberufung eines Betriebsbeauftragten für Abfall unterliegt, lässt sich nicht unabhängig von dem ursprünglichen Bestellungsakt beantworten. Bestellung“ i.S.v. § 60 Abs. 3 KrWG i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ist die konkrete Zuweisung der Aufgaben eines Abfallbeauftragten i.S.v. § 59 KrWG im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses. Entsprechendes galt nach den bei der (nochmaligen) Bestellung des Klägers geltenden Regelungen, § 55 Abs. 3 KrW-/AbfG iVm. § 55 Abs. 1 BImSchG aF.

Die Bestellung erzeugt für den Beauftragten keine Pflichten gegenüber der Überwachungsbehörde, sondern nur im Verhältnis zum Anlagenbetreiber. Es handelt sich daher um eine rein privatrechtliche Willenserklärung. Da die Bestellung nicht gegen den Willen des Beauftragten erfolgen kann, bedarf sie seiner Zustimmung. Auch im vorliegenden Fall sollte dementsprechend lediglich für die Dauer der wirksamen Bestellung der Arbeitsvertrag um die Wahrnehmung des Funktionsamts erweitert werden.

Für die Abberufung des Abfallbeauftragten durch den zur Bestellung Verpflichteten stellt das Kreislaufwirtschaftsgesetz – auch i.V.m. den Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – keine spezifischen Anforderungen auf. Damit unterscheidet es sich von den Bestimmungen, die für den Datenschutzbeauftragten gelten. Das LAG war zwar zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Abberufung als actus contrarius zur Bestellung nicht um eine Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers handelte. Auch wenn sie damit keiner Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO unterlag, folgte daraus aber nicht, dass die einseitige Abberufung kontrollfrei wäre. Hierin lag somit der Rechtsfehler des Berufungsurteils. Es hatte nicht gesehen, dass die Abberufung als einseitige Leistungsbestimmung der Beklagten nach § 315 BGB der Billigkeit entsprechen muss.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.01.2024 14:53
Quelle: BAG online

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