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Moderne Arbeitswelt - Der Betriebsbegriff in Zeiten von Digitalisierung und mobiler Arbeit - Eine Einstimmung auf den 6. Deutschen Arbeitsrechtstag (Sittard, ArbRB 2023, 341)

Die „moderne Arbeitswelt“ hat der Praxis nicht nur Remote Work, Desksharing und neue Fragen rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) beschert, sondern wirkt sich auch massiv auf den Betriebsbegriff und die betriebliche Mitbestimmung aus. Welche Herausforderungen damit für moderne Betriebsratsarbeit verbunden sind, wird daher auch ein Schwerpunktthema des 6. Deutschen Arbeitsrechtstags der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV (v. 31.1-2.2.2024 in Berlin) sein. Der Beitrag gibt erste Impulse für ein modernes Verständnis des traditionellen Betriebsbegriffs.

1. Herausforderungen der modernen Arbeitswelt
2. Auswirkungen auf den Betriebsbegriff

a) Beispiele
b) Betriebsbegriff(e)
c) Der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff
3. Bewertung und Fazit
a) These 1: Der Betriebsbegriff ist entwicklungsoffen
b) These 2: Räumliche Grenzen schwinden
c) These 3: Die Bedeutung des „einheitlichen Leitungsapparats“ nimmt zu

1. Herausforderungen der modernen Arbeitswelt
Die moderne Arbeitswelt bewegt sich in einem schwierigen Umfeld zwischen regulatorischer Überfrachtung, notwendigen Schutzmechanismen und den Anforderungen des Marktes. Hierbei geht es auch um die Frage, wie viel (Über-)Regulierung das Arbeitsrecht verträgt. Angesprochen ist damit das Spannungsfeld zwischen den regulatorischen Anforderungen, die meist einen „guten Zweck“ verfolgen, und den damit verbundenen rechtlichen wie tatsächlichen Herausforderungen für Unternehmen als Arbeitgeber, aber eben auch für die Betriebsparteien und Sozialpartner.

Ein weiteres Themenfeld resultiert weniger aus der massiv zunehmenden Regulierung als aus der von Unternehmen und Mitarbeitern geschaffenen neuen Arbeitswelt. So hat die durch die Corona-Pandemie beschleunigte Digitalisierung der Arbeit und der unumkehrbare Trend zur mobilen Arbeit die Arbeitswelt in den letzten dreieinhalb Jahren rapide verändert. Es gibt einen deutschland-, europa-, ja vielleicht weltweiten Arbeitsmarkt.

2. Auswirkungen auf den Betriebsbegriff
Diese veränderte Arbeitswelt stellt auch die Betriebsratsarbeit vor neue Herausforderungen. Insbesondere ist fraglich, welcher Betriebsrat für welche Beschäftigten zuständig ist, da der klassische Betriebsbegriff immer mehr an seine Grenzen gerät.

a) Beispiele
So stellt sich in der Praxis immer häufiger die Frage, wo sich überhaupt ein Betrieb befindet. Und welchem Betrieb sind ausschließlich mobil arbeitende Mitarbeiter zuzuordnen? Gibt es einen Betrieb ohne feste Betriebsstätte? Gibt es einen Betrieb im „Metaverse“?

Drei Beispiele

  • 1. Eine Versicherung aus Köln stellt IT-Spezialisten in Landshut ein. Die IT-Fachkräfte arbeiten nur für die Konzernzentrale in Köln, betreten diese aber mitunter lediglich einmal im Jahr; im Übrigen arbeiten sie komplett remote. Das Unternehmen hat eine weitere Niederlassung in München.
  • 2. Ein Berliner Start-up arbeitet in agilen IT-Teams mit Mitarbeitern aus Indien, die vollständig in die „Berliner“ Organisationsstrukturen eingebunden sind.
  • 3. Ein DAX-Unternehmen schließt sein Büro in Oberhausen und ordnet die Mitarbeiter den Betrieben in Dortmund und Düsseldorf zu. In Oberhausen mietet das Unternehmen aber in einem Co-Working-Space einen Raum an, wo die Mitarbeiter arbeiten können, wenn sie nicht das Homeoffice nutzen wollen.

b) Betriebsbegriff(e)
Ausgangspunkt für die Beantwortung der unter a) gestellten Fragen muss der Betriebsbegriff sein. Allerdings gibt es den einen Betriebsbegriff nicht. Die wichtigsten Betriebsbegriffe sind wohl folgende:

  • Als erstes wird man an den auf Jacobi zurückgehenden Betriebsbegriff denken, der bis heute § 1 BetrVG zugrunde liegt, auf den gleich zurückzukommen ist.
  • Das KSchG kennt jedenfalls zwei Betriebsbegriffe: Türöffner für den Geltungsbereich des starken deutschen Kündigungsschutzes ist § 23 KSchG. Dieser geht zunächst von einem Betriebsverständnis aus, welches...
     



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.11.2023 12:45
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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