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Aktuell im ArbRB

Richtig reagieren bei zweifelhafter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber und Stolperfallen für Arbeitnehmer (Böhm, ArbRB 2023, 311)

Nachdem in der August-Ausgabe (ArbRB 2023, 243) Steffan dargestellt hat, welcher Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zukommt, in welchen Fallkonstellationen dieser Beweiswert erschüttert sein kann und welche allgemeinen Reaktionsmöglichkeiten für den Arbeitgeber bestehen, vertieft und konkretisiert dieser Beitrag die unternehmensseitigen Handlungsoptionen und gibt Arbeitgebern bzw. ihren Vertretern ein Musterschreiben an die Hand.

I. Ausgangslage: Die Entscheidung des BAG vom 8.9.2021
II. Zweifelhafte Fallkonstellationen

1. Überblick
2. Folgen
III. Handlungsempfehlungen
1. Allgemeines
2. Einbehalten der Entgeltfortzahlung
IV. Fazit


I. Ausgangslage: Die Entscheidung des BAG vom 8.9.2021

Eine Entscheidung des BAG vom September 2021 hat den Weg dafür geebnet, dass es zumindest etwas einfacher geworden ist, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern. Erforderlich hierfür sind objektiv greifbare Umstände, welche erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung des Arbeitnehmers begründen.

Beraterhinweis
Objektiv mehrdeutige Sachverhalte wie die Mitnahme aller persönlichen Sachen nach Kündigungsausspruch, das Zurücklassen von Arbeitsmitteln etc. reichen hierfür nicht aus. 2 Dies gilt erst recht, wenn diese Gegenstände nicht konkret benannt werden.

An die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers sind, soweit eine Aufklärung des Sachverhalts für ihn nicht detaillierter möglich ist, keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Aktive Ermittlungen sind möglich, wenn sie nicht unverhältnismäßig sind.

II. Zweifelhafte Fallkonstellationen

1. Überblick

In § 275 Abs. 1a SGB V werden einige Regelbeispiele für begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit benannt. Der Arbeitgeber ist hierauf nicht beschränkt.

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann vor allem in folgenden Fallkonstellationen erschüttert sein:

  • Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Ferndiagnose;
  • Ankündigung der Arbeitsunfähigkeit nach einem Streit zwischen den Arbeitsvertragsparteien;
  • Arbeitsunfähigkeit nach abgelehntem Urlaubsantrag;
  • wiederholte Arbeitsunfähigkeit vor/an/nach Brückentagen, Feiertagen oder Urlaubstagen;
  • genesungswidriges Verhalten während der Arbeitsunfähigkeit;
  • äußerlich erkennbares Krankheitsbild lässt auf offensichtliche Arbeitsfähigkeit schließen;
  • Erbringung einer Tätigkeit für einen anderen Arbeitgeber während der Arbeitsunfähigkeit;
  • rückdatierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung;
  • zeitliches Zusammentreffen von Beginn und Ende der Kündigungsfrist mit der Arbeitsunfähigkeit.

Beraterhinweis
Weiterführende Hinweise zu den Voraussetzungen, die an eine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu stellen sind, ergeben sich aus der sog. Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie.

2. Folgen
Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber von Gesetzes wegen nach § 275 Abs. 1a Satz 3 SGB V
einen Anspruch gegen die gesetzlichen Krankenkassen auf Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit.

Beraterhinweis
Sind Arbeitnehmer privat krankenversichert, ist eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.10.2023 18:12
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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