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Die neue BAG-Rechtsprechung zur Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts - Welche Möglichkeiten zur Entgeltdifferenzierung verbleiben? (Reufels/Loewke, ArbRB 2023, 317)

Vergütet ein Arbeitgeber Beschäftigte verschiedenen Geschlechts, die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten ausüben, unterschiedlich, begründet dies die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts. Das BAG hat entschieden, dass Verhandlungen über die Gehaltshöhe diese Vermutung nicht widerlegen können. Das bessere Verhandlungsgeschick eines Arbeitnehmers rechtfertigt danach keine höhere Vergütung. Der Beitrag beleuchtet diese wichtige BAG-Entscheidung, zeigt ihre Folgen für die Praxis auf und gibt Umsetzungstipps.

I. Sachverhalt
II. Entscheidung

1. Tenor
2. Was kann danach eine unterschiedlich hohe Vergütung rechtfertigen?
a) Personalgewinnungsschwierigkeiten (+)
b) Vertragsfreiheit (–)
c) Nachbesetzung höher vergüteter Beschäftigter (–)
d) Bessere Qualifikation (+)
e) Bessere Leistungen (–/+)
f) Vergünstigungen neben dem Grundentgelt (–)
3. Entschädigungsanspruch bei fehlender Rechtfertigung
III. Folgen für die Praxis
IV. Hintergrund der Entscheidung
V. Umsetzung
VI. Fazit


I. Sachverhalt

Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung ein Anspruch auf ein höheres Grundentgelt und eine Entschädigung nach dem AGG zusteht.

Die beklagte Arbeitgeberin beschäftigte drei Personen im Vertrieb, von denen zwei im Abstand von etwa einem Jahr ausschieden. Eine besser vergütete Arbeitnehmerin schied altersbedingt Ende 2017 aus; ein Arbeitnehmer hatte sein Arbeitsverhältnis mit kurzer Kündigungsfrist zu Anfang 2017 gekündigt. Beide Positionen sollten nachbesetzt werden. Die Beklagte schrieb die Stellen nacheinander zu einem monatlichen Grundentgelt i.H.v. 3.500 € (mit der Zusage einer umsatzabhängigen Provision nach der Einarbeitungszeit) aus.

Auf die erste Ausschreibung zur Nachbesetzung der besser bezahlten Arbeitnehmerin bewarb sich ein staatlich geprüfter Techniker. Dieser forderte für die ersten zehn Monate seiner Tätigkeit bis zum Zeitpunkt, ab dem er provisionsberechtigt würde, ein um 1.000 € höheres Entgelt. Dem stimmte die Beklagte zu und stellte ihn zum 1.1.2017 zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 4.500 € ein. Ab November 2017, mit Eintreten der Provisionsberechtigung, reduzierte sie das Grundentgelt auf 3.500 €.

Auf die zweite Ausschreibung zur Nachbesetzung des schlechter vergüteten Arbeitnehmers bewarb sich die als Diplom-Kauffrau ausgebildete Klägerin. Sie stimmte einer Beschäftigung zum Grundentgelt von 3.500 € und einer Teilnahme am Provisionsplan ab November 2017 zu, forderte allerdings zusätzlich 20 Tage unbezahlten Urlaub. Zu diesen Konditionen stellte die Beklagte die Klägerin zum 1.3.2017 ein.

Anfang Juli 2018 einigten sich die Beklagte und der Techniker auf eine Steigerung seines Grundentgelts um 500 € brutto und auf die Halbierung seines Provisionsanspruchs. Den Vertrag der Klägerin passte die Beklagte nicht an. Ende Juli 2018 schloss sie einen Haustarifvertrag ab, nach dem sich seit August 2018 die Vergütung aller tariflichen Beschäftigten, wozu auch die Klägerin und ihr Kollege gehören, richtet.

Die Klägerin hat vorgetragen, die ihr im Vergleich zu ihrem männlichen Kollegen angebotene und ausgezahlte geringere Vergütung benachteilige sie wegen ihres Geschlechts und begründe einen Anspruch auf die Nachzahlung des Differenzbetrags sowie einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG.

Die Beklagte hat dem Folgendes entgegengehalten:

  • Die Vergütungsdifferenz sei nicht benachteiligend, da sie nicht auf dem Geschlecht beruhe.
  • Sie habe Schwierigkeiten gehabt, die Stelle zu besetzen, und habe sich deshalb auf die Forderungen des Kollegen einlassen müssen.
  • Zudem sei der Grundsatz der Vertragsfreiheit zu beachten.
  • Im Übrigen sei der Kollege der höher vergüteten Arbeitnehmerin, nachgefolgt, die in den Ruhestand gegangen sei.
  • Des Weiteren habe sie auch der Forderung der Klägerin nach einer früheren erfolgsabhängigen Bonusberechtigung entsprochen.
  • Schließlich sei der Kollege besser qualifiziert gewesen als die Klägerin und habe bessere Leistungen erbracht.

Das BAG hat zugunsten der Klägerin entschieden und allen vorgetragenen Rechtfertigungsgründen eine Absage erteilt.

II. Entscheidung

1. Tenor

Anders als die Vorinstanzen sprach das BAG der Klägerin das höhere Grundentgelt sowie die Vergütungsdifferenz gem. Art. 157 AEUV bzw. § 3 Abs. 1, § 7 EntgTranspG und einen...


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.10.2023 15:08
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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