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ChatGPT und das Arbeitsrecht - Ein Überblick über Fragestellungen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Chatbots in Unternehmen (Niklas, ArbRB 2023, 268)

Die Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 hat den Menschen erstmals flächendeckend vor Augen geführt, wozu Künstliche Intelligenz in der Lage ist. Auch das Arbeitsleben wird sich durch den Einsatz solcher Tools massiv verändern. Der Beitrag beschäftigt sich mit den arbeitsrechtlichen Herausforderungen, die sich aus der Nutzung dieses Tools im Arbeitsleben ergeben, und gibt Hinweise für die Praxis.

I. ChatGPT und seine Einsatzmöglichkeiten im Arbeitsumfeld
II. Nutzung im Arbeitsverhältnis
III. Nutzung im Personalbereich

1. Nutzung im Rahmen des Recruitings
2. Nutzung bei der Personaladministration und Personalabbaumaßnahmen
a) Personalverwaltung
b) Personalabbau
c) Risiken
IV. Datenschutzrechtliche Zulässigkeit
1. ChatGPT im Fokus der Datenschutzbehörden
2. Problem: Verarbeitung personenbezogener Daten
3. Risiken für Arbeitgeber
V. Urheberrecht
VI. Mitbestimmung des Betriebsrats
VII. Ausblick: KI-Verordnung
VIII. Fazit



I. ChatGPT und seine Einsatzmöglichkeiten im Arbeitsumfeld
Die Ära der künstlichen Intelligenz (KI) hat die Arbeitswelt mit einer Geschwindigkeit und Tiefe erreicht, die noch vor Kurzem kaum vorstellbar war. Im Zentrum dieser Revolution steht ChatGPT, ein „intelligenter“ Chatbot, entwickelt von OpenAI, der die Grenzen des Möglichen bei der natürlichen Sprachverarbeitung (NLP) neu definiert hat. ChatGPT nutzt ein neuronales Netzwerk mit milliardenweise trainierten Parametern, um auf natürlicher Sprache basierende Anfragen von Nutzern zu verstehen und verständliche Antworten zu generieren. Die Funktionsweise beruht auf einem statistischen Ansatz und bietet eine automatisierte Textgenerierung ohne manuelle Programmierung.

Doch was bedeutet dies konkret für das Arbeitsumfeld? In zahlreichen Branchen haben Unternehmen bereits das Potential von ChatGPT erkannt. Es reicht von der Automatisierung des Kundensupports über die Erstellung von Berichten und Analysen bis hin zur Unterstützung von HR-Prozessen, etwa beim Vorselektieren von Bewerbungen, bei der Erstellung von Musterdokumenten etc. Neben diesen offensichtlichen Vorteilen gibt es aber auch nicht wenige rechtliche Risiken.

II. Nutzung im Arbeitsverhältnis
Möchte ein Arbeitgeber die Nutzung von ChatGPT im Arbeitsverhältnis anweisen oder untersagen, so kann er dies im Rahmen seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts (vgl. § 106 GewO) tun. Der – zumindest bislang – in der Praxis weitaus häufigere Fall dürfte indes sein, dass Arbeitnehmer sich ohne irgendeine Regelung des Arbeitgebers des Tools bedienen, um ihre Arbeit zu erledigen bzw. sich hierbei unterstützen zu lassen.

Beraterhinweis
Fehlen Vorgaben des Arbeitgebers zur Nutzung von ChatGPT oder KI-Tools generell und ist die Nutzung des Internets zumindest für dienstliche Zwecke erlaubt, kann nicht von einem Verbot der Nutzung ausgegangen werden. Vielmehr ist der Arbeitnehmer dann – vorbehaltlich der nachfolgend beschriebenen datenschutz- und urheberrechtlichen Probleme – zumindest arbeitsrechtlich berechtigt, das Tool ebenso wie Suchmaschinen und Übersetzungstools als technisches Hilfsmittel zur Erbringung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung zu nutzen.

§ 613 BGB, wonach der zur Dienstleistung verpflichtete Arbeitnehmer die Dienste im Zweifel in Person zu leisten hat, steht der Nutzung von ChatGPT nicht entgegen. Schließlich handelt es sich bei ChatGPT nicht um eine andere Person, sondern „lediglich“ um ein technisches Hilfsmittel, auch wenn dieses Tätigkeiten vollständig ersetzen kann. Probleme können sich zwar ergeben, wenn Arbeitnehmer die Ergebnisse unkritisch als Arbeitsergebnisse übernehmen. Insoweit unterscheidet sich die Nutzung von ChatGPT aber letztlich nicht von der Nutzung von Suchmaschinen, offenen Datenbanken, Übersetzungstools etc. Zu beachten sind jedoch zusätzlich die datenschutz- bzw. urheberrechtlichen Bestimmungen.

Beraterhinweis
Fraglich ist, ob Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber eine Pflicht zur Offenlegung haben, wenn sie zur Erbringung ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ein Tool wie ChatGPT genutzt haben bzw. nutzen (vgl. § 241 Abs. 1 BGB). Dies wird man jedenfalls dann annehmen müssen, wenn...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.09.2023 12:08
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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