Otto Schmidt Verlag

Aktuell in der ZFA

Das neue Nachweisrecht (Besgen/Roloff, ZFA 2023, S4)

Das neue Nachweisrecht stellt die Arbeitgeber vor erhebliche Herausforderungen und Unklarheiten. Nicht nur das Unionsrecht, auch das nationale Recht machen es den Arbeitgebern schwer. Dennoch: Arbeitnehmer haben einen berechtigten Anspruch auf transparente Arbeitsbedingungen.


I. Vorbemerkung

II. Abgrenzung des Nachweises von der AGB- und Transparenzkontrolle

III. Anwendungsbereich

1. Arbeitnehmer

2. Europäischer Arbeitnehmer-Begriff?

3. Praktikanten

4. Nicht erfasste Personen

IV. Nachweispflichten

1. Allgemeines

2. Form und Fristen

a) Schriftliche Niederlegung

b) Unterzeichnung der Niederschrift

c) Aushändigen der Niederschrift

d) Rechtsnatur des Nachweises

e) Sprache des Nachweises

f) Keine elektronische Form

g) Fristen

V. Erfüllung der Nachweispflicht

1. Nachweis im Arbeitsvertrag oder mit gesondertem Nachweisschreiben?

2. Alle wesentlichen Vertragsbedingungen

VI. Mindestkatalog des § 

2 Abs. 1 Satz 2 NachwG

1. Vertragsparteien (Nr. 1)

2. Beginn des Arbeitsverhältnisses (Nr. 2)

3. Dauer der Befristung (Nr. 3)

4. Arbeitsort (Nr. 4)

5. Tätigkeitsbeschreibung (Nr. 5)

6. Probezeit (Nr. 6)

7. Zusammensetzung des Arbeitsentgelts (Nr. 7)

8. Arbeitszeit (Nr. 8)

9. Abrufarbeit (Nr. 9)

10. Überstunden (Nr. 10)

11. Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs (Nr. 11)

12. Fortbildung (Nr. 12)

13. Angaben zur betrieblichen Altersversorgung (Nr. 13)

14. Verfahren der Kündigung und Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage (Nr. 14)

15. Bezugnahme auf Kollektivvereinbarungen (Nr. 15)

VII. Nachweispflichten für Praktikanten (Abs. 1a)

VIII. Auslandseinsätze (Abs. 2 und 3)

1. Auslandseinsatz (Abs. 2)

2. Auslandsaufenthalte nach der Entsenderichtlinie (Abs. 3)

IX. Ersetzung der Nachweispflicht durch Hinweis auf Kollektivregelungen (Abs. 4)

1. Teilnachweis möglich

2. Kollektive Regelungen (S. 1)

3. Inhalt des Nachweises

4. Kirchliche Regelungen

5. Gesetzliche Regelungen

6. Verweismöglichkeiten bei Auslandseinsätzen

X. Ersetzung der Nachweispflicht durch den Arbeitsvertrag

XI. Rechtsfolgen

1. Anspruch auf Erfüllung der Nachweispflicht

2. Vorgaben der ABRL zu den Rechtsfolgen

3. Schriftliche Mitteilung der Kündigungsgründe

4. Schadensersatz

5. Beweislast

6. Weitere Ansprüche

7. Verjährung und Ausschlussfristen für den Nachweisanspruch

8. Beteiligung des Betriebsrats

9. Prozessuales

10. Bußgeldvorschriften

a) Verstoß gegen Nachweispflichten

b) Anwendung auf die Übergangsvorschrift nach § 5

c) Höhe der Geldbuße

XII. Änderungen der wesentlichen Vertragsbedingungen – § 

3 NachwG

1. Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen (S. 1)

2. Änderung der anwendbaren Vorschriften (S. 2)

XIII. Übergangsvorschrift in § 

5 NachwG

1. Anwendung auf am 1.8.2022 bereits bestehende Arbeitsverhältnisse

2. Aufforderung und Fristen

3. Ersatz durch vorhandene Vereinbarungen

4. Bußgeld

5. Sonstige Sanktionen

XIV. Unabdingbarkeit

XV. Muster


I. Vorbemerkung

Das erste Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen – Nachweisgesetz – (NachwG) galt in seiner Ausgangsfassung seit dem 28.6.1995. Es beruhte auf der Richtlinie 91/533/EWG (NachwRL). Die Richtlinie (EU) 2019/1152 vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (Arbeitsbedingungenrichtlinie – ABRL) hat die NachwRL abgelöst. Die Gründe für die Ablösung finden sich in den Erwägungsgründen der Richtlinie. So wird auf Art. 31 GRC der Europäischen Union Bezug genommen (Erwägungsgrund 1), Förderung der unbefristeten Arbeitsformen (Nr. 2), großes Unterrichtungsbedürfnis der Arbeitnehmer wegen zahlreicher neuer Arbeitsformen (Nr. 4), Ausweitung auf alle Arbeitnehmer im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Nr. 8), Ausweitung der bestehenden Nachweispflichten in Abgrenzung zur aufgehobenen Richtlinie 91/533/EWG (Nr. 15), Angaben zum Kündigungsverfahren und zur Klagefrist (Nr. 18), Harmonisierung mit der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG (Nr. 19), Schutz von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern (Nr. 26), effektive Durchsetzung der mit der Richtlinie verbundenen Rechte (Nrn. 40, 41), Einführung von abschreckenden Sanktionen (Nr. 45) und die Klarstellung, dass es sich bei der Richtlinie nur um Mindestanforderungen handelt (Nr. 47). Das Gesetz zur Umsetzung der ABRL ändert nicht nur das NachwG, sondern auch Regelungen im TzBfG und im AÜG. Die Vorlaufzeit bis zum Inkrafttreten am 1.8.2022 war kurz. Die BT-Drs. 20/1636 datiert vom 2.5.2022. Der Bundestag hat am 23.6.2022 den Vorschlag beschlossen und nach der Zustimmung des Bundesrats wurde das Gesetz am 26.7.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist nach Art. 12 des Umsetzungsgesetzes fristgerecht zum 1.8.2022 in Kraft getreten. Auch wenn die ABRL die NachweisRL vollständig abgelöst hat, hat der Gesetzgeber das bestehende NachwG lediglich geändert und angepasst. Das deutsche NachwG ist daher weiterhin, eben nur mit den Änderungen, in Kraft. Die bisherige Kommentarliteratur wird damit nicht Makulatur, muss aber im Hinblick auf die vollständige neue ABRL in jedem Einzelfall kritisch geprüft werden.

In Wissenschaft und Praxis haben die neue ABRL und das neue NachwG für Unruhe gesorgt. Die Unruhe basiert nicht nur auf der neu eingeführten Bußgeldvorschrift in § 4 NachwG, sondern auch auf der Sorge, durch Fehler bei der Erstellung des Nachweises erhebliche Rechtsnachteile in Kauf nehmen zu müssen (Bußgelder, Schadensersatzansprüche, Naturalrestitution, Beweislastumkehr, Beweisvereitelung bis hin zum generellen Rechtsverlust von vereinbarten Vertragsabreden). Schnell sind Handlungsempfehlungen für die Vertragsgestaltung erschienen. Beiträge beschäftigen sich bereits mit Spezialfragen. Weitere Beiträge befassen sich mit der ABRL selbst. Weitere Regelungen über den Nachweis von Arbeitsbedingungen finden sich in § 11 AÜG, in § 11 BBiG und in § 28 SeeArbG. Keine eigenständige Bedeutung hat hingegen § 105 S. 2 GewO. Ob das Gesetz und die ABRL die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, bleibt abzuwarten.

II. Abgrenzung des Nachweises von der AGB- und Transparenzkontrolle

Die ABRL wird und wurde auch Transparenzrichtlinie genannt und soll für transparente Arbeitsbedingungen sorgen. Nach Art. 1 Abs. 1 und Erwägungsgrund 46 der Richtlinie besteht ihr Zweck darin, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Nach dem Erwägungsgrund 6 sollen auf Unionsebene Mindestanforderungen für die Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses und für die Arbeitsbedingungen festgelegt werden, die für alle Arbeitnehmer gelten und ihnen ein angemessenes Maß an Transparenz und Vorhersehbarkeit ihrer Arbeitsbedingungen garantieren sollen. Damit liegt es nahe, die ABRL in die Nähe der Transparenzkontrolle von AGB in Arbeitsverträgen zu rücken. Allerdings geht es einmal um die Transparenz nachzuweisender Arbeitsbedingungen und das andere Mal um die Transparenz von vertraglichen Vereinbarungen. Nachzuweisen iSd. ABRL sind aber auch gesetzliche Regelungen.

Nach Art. 4 Abs. 1 ABRL sollen die Arbeitnehmer über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses unterrichtet werden. Nach Art. 5 Satz 1 der Klauselrichtlinie 93/113/EG, der § 307 Abs.1 S. 2 BGB zugrunde liegt, 7 müssen alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln stets klar und verständlich abgefasst sein. Bereits hieraus wird der Unterschied der beiden Richtlinien deutlich: Einerseits geht es um (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.08.2023 14:16
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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