Aktuell im ArbRB
Die Hinausschiebensvereinbarung (Lunk, ArbRB 2023, 210)
Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels gewinnt die Beschäftigung über die Altersgrenze hinaus an Bedeutung. Während 2011 nach Angaben des statistischen Bundesamtes noch 10 % der 65- bis 69-Jährigen arbeiteten, stieg der Anteil 2021 auf 17 % (s. https://ottosc.hm/destatis). Der Beitrag behandelt ausgehend von § 41 Satz 3 SGB VI die bei einer Weiterarbeit über das Rentenregeleintrittsalter hinaus zu berücksichtigenden individual- und kollektivrechtlichen Problemkreise.
I. Einleitung
II. Wirksame Altersgrenzen
1. Auslegung
2. Form
3. Kollektivvereinbarungen
III. Die Hinausschiebensvereinbarung
1. Grundsätzliches
2. Individualrechtliche Voraussetzungen
a) Formelle Voraussetzungen
b) Materielle Voraussetzungen
3. Kollektivrechtliche Voraussetzungen
a) Regelungsspielraum
b) Mitbestimmung
4. Sozialversicherungsrechtliche Folgen
5. Checkliste
IV. Fazit
I. Einleitung
Bekanntlich enden Arbeitsverhältnisse nicht automatisch mit Erreichen eines bestimmten Alters, etwa des Alters, ab dem erstmals Anspruch auf eine ungekürzte Altersversorgung besteht. Das Beziehen einer solchen Rente ist auch kein Kündigungsgrund, § 41 Satz 1 SGB VI. Es bedarf daher, um die in der Regel von beiden Arbeitsvertragsparteien gewollte Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters zu erreichen, einer – einzelvertraglichen oder kollektiven – Vereinbarung.
Besteht keine oder keine wirksame Altersgrenze und liegt auch kein Spezialfall i.S.v. § 41 Satz 2 SGB VI vor, endet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch, sondern besteht über das Alter für die Regelaltersrente hinaus fort.
Vermehrt möchten Arbeitsvertragsparteien ein späteres Ausscheiden vereinbaren. Mit Wirkung zum 1.7.2014 schuf der Gesetzgeber mit § 41 Satz 3 SGB VI einen rechtlichen Rahmen. Um diese Option sowohl individualrechtlich als auch hinsichtlich der Beteiligungsrechte des Betriebsrats wirksam im Wege einer sog. „Hinausschiebensvereinbarung“ zu nutzen, sind eine Reihe von Vorgaben zu berücksichtigen.
II. Wirksame Altersgrenzen
Zunächst sind in der gebotenen Kürze die Voraussetzungen wirksamer Altersgrenzen darzulegen.
1. Auslegung
Es handelt sich um eine Höchstbefristung, für die gem. § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG regelmäßig ein sachlicher Grund besteht, wenn die Befristung auf das Alter abstellt, ab dem Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente besteht.
Geklärt ist ferner der Umgang mit Klauseln, die nicht auf das jeweils individuell maßgebliche Alter für die ungekürzte Altersrente abstellen, sondern bspw. wegen der früheren Regelung auf das 65. Lebensjahr. Das BAG legt derartige Klauseln dahingehend aus, dass ein Arbeitsverhältnis in dem Zeitpunkt endet, in dem das jeweils individuell maßgebliche Rentenalter gem. §§ 35, 235 SGB VI erreicht wird. Das gilt auch, wenn die Klausel nicht den Zusatz enthält, das Arbeitsverhältnis ende dann automatisch, „ohne, dass es einer Kündigung bedarf“. Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch für entsprechende Betriebsvereinbarungen.
2. Form
Erforderlich ist zudem die Einhaltung der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG. Es gelten die hohen Anforderungen, welche die Rechtsprechung generell zu dieser Norm aufgestellt hat.
Wird lediglich auf eine tarifvertragliche Regelung mit Altersgrenze Bezug genommen, greift das Schriftformerfordernis gleichfalls. 7 Es findet nur dann keine Anwendung, wenn (...)
