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Arbeitsrecht und Avatare im Metaverse (Schuster/Wolf/Mayr, ArbRB 2023, 217)

Immer mehr Unternehmen verlagern einen Teil ihrer geschäftlichen Aktivitäten ins Metaverse und unterhalten dort virtuelle Büros, Showrooms oder Produktionsstätten. Im Unterschied zur traditionellen Zusammenarbeit mit Arbeitskollegen, Kunden und Lieferanten findet die Interaktion im Metaverse nicht an einem realen Ort, sondern im virtuellen Raum, dem Metaverse statt. Die Nutzer des Metaverse bewegen sich dabei in einer Art erweiterten Realität, die es ihnen erlaubt, in eine immersive, gemeinsame virtuelle Umgebung einzutauchen und in Echtzeit zu agieren. Notwendige Voraussetzung dafür ist u.a. das Erstellen eines Avatars, durch den der Nutzer im Metaverse agiert. Was das Metaverse ist und welche arbeitsrechtlichen Fragen sich in Bezug auf die Gestaltung eines Avatars stellen, zeigen die Autoren im Folgenden auf.


I. Was ist Metaverse?

II. Wie nutzt man das Metaverse?

III. Avatare im Bewerbungsverfahren

1. Recht zur Täuschung?

2. Wunsch nach wirklichkeitsnahem Avatar als AGG-Indiz?

IV. Avatare im Arbeitsverhältnis

1. Mitbestimmung bei der Avatargestaltung

2. Direktionsrecht und Avatargestaltung

a) Anordnung der Übereinstimmung des Avatars mit dem Aussehen des Mitarbeiters

b) Anordnung der Abweichung des Avatars vom Aussehen des Mitarbeiters

V. Fazit


I. Was ist Metaverse?

Der Begriff Metaverse setzt sich zusammen aus der griechischen Vorsilbe „meta“ (jenseits) und dem lateinischen Wort „universus“ (gesamt). Geprägt wurde der Begriff 1992 durch Neal Stephenson, der das Metaverse in seinem Roman „Snow Crash“ als digitale Realität darstellt, in der die Protagonisten über ihre Avatare agieren und versuchen, ihren gesellschaftlichen Status zu heben. In den Fokus der breiten Öffentlichkeit gelangte der Begriff im Oktober 2021, als Mark Zuckerberg erklärte, mit dem Metaverse eine begehbare Version des Internets schaffen zu wollen und den Technologiekonzern Facebook Inc. in Meta Platforms Inc. umfirmierte.

„Die“ begehbare Version des Internets gibt es heute allerdings (noch) nicht. „Das“ Metaverse besteht vielmehr aus einer Vielzahl von virtuellen, dreidimensionalen Umgebungen, die derzeit noch nicht kompatibel sind. Zu den bekanntesten gehören Decentraland und The Sandbox; parallel werden ca. 10.000 weitere Metaversen entwickelt.

II. Wie nutzt man das Metaverse?

Das Metaverse ist eine digitale Umgebung, in die Nutzer mit ihrem Avatar und mittels sog. virtual reality-Technologien „eintauchen“. Dort können sie dann im betrieblichen Alltag mit anderen Nutzern interagieren und z.B. virtuelle Recruiting-Veranstaltungen, Bewerbungsgespräche und Besprechungen durchführen. Sprache, Mimik, Gestik und Körperhaltung der Nutzer können dabei mittels VR-Technologien in Echtzeit übertragen werden.

Im digitalen Raum tritt dabei optisch nicht die reale Person, sondern deren personalisierter 3D-Avatar auf. Diesen „basteln“ sich Arbeitnehmer oder Bewerber selbst. Sie können dabei aus einer Vielzahl von zur Verfügung ge8stellten Konfigurationsmöglichkeiten (Geschlecht, Hautfarbe, Figur, Frisur, Kleidung etc.) wählen.

Ein Avatar kann eine digitale Kopie seines menschlichen Nutzers darstellen oder auch ein komplettes aliud. Es ist zu erwarten, dass Avatare in Zukunft extrem realistisch gestaltet werden und wie Menschen aussehen können.

Dass die Avatargestaltung dabei mehr als eine Spielerei ist, zeigt der sog. Proteus-Effekt. Forscher der Stanford University fanden heraus, dass das optische Erscheinungsbild eines Avatars Einfluss auf das Verhalten des Nutzers hat. Es ist z.B. zu vermuten, dass Nutzer mit einem attraktiven Avatar sich selbstbewusster fühlen und erfolgreicher sind.

Die Möglichkeit, sich mittels eines Avatar ein neues Erscheinungsbild zu geben, stellt das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen – sowohl in der arbeitsrechtlichen Vertragsanbahnung als auch bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses.

III. Avatare im Bewerbungsverfahren

1. Recht zur Täuschung?


Im Bewerbungsverfahren gelten § 311 Abs. 2 Nr. 2, § 241 Abs. 2 BGB und verpflichten Arbeitgeber und Bewerber zur gegenseitigen Rücksichtnahme. (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.07.2023 10:17
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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