Aktuell im ArbRB
Die Versetzung von Arbeitnehmern ins Ausland - Den Vorhang zu und alle Fragen offen? (Braun/Sura, ArbRB 2023, 179)
Ende 2022 hat der 5. BAG-Senat vermeintlich überraschend entschieden, dass Arbeitgeber mittels ihres Weisungsrechts Arbeitnehmer grds. auch ins Ausland versetzen können. Aber ist diese Entscheidung ohne weiteres auf andere Sachverhaltskonstellationen übertragbar? Unter welchen Voraussetzungen ist danach eine Versetzung ins Ausland denkbar? Und mit welchen Ausgleichsmaßnahmen können Arbeitgeber u.U. Einfluss auf die Wirksamkeit einer solchen Versetzung nehmen?
1. Das Versetzungsrecht des Arbeitgebers
2. Versetzungsklauseln und Ausübungskontrolle
3. Das Urteil des BAG vom 30.11.2022
a) Sachverhalt
b) Entscheidung
4. Folgen der Entscheidung
a) Wirtschaftliche Auswirkungen
b) Keine Anwendbarkeit des KSchG
c) Ausscheiden aus dem BetrVG
d) Wechsel des Sozialversicherungsstatuts
e) Sonstige Nachteile
5. Resümee
1. Das Versetzungsrecht des Arbeitgebers
Die im Arbeitsvertrag regelmäßig nur rahmenmäßig beschriebenen Arbeitsbedingungen werden durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers konkretisiert. Dieses hat seine Grundlage in § 106 Satz 1 GewO, wonach der Arbeitgeber berechtigt ist, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen, soweit die jeweiligen Beschäftigungsinhalte nicht bereits arbeits- oder tarifvertraglich, in einer Betriebsvereinbarung oder durch gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
In Bezug auf den Arbeitsort enthalten fast alle Arbeitsverträge Versetzungsklauseln, die dem Flexibilisierungsbedürfnis des Arbeitgebers dienen und dessen Direktionsrecht insoweit ausgestalten, als dass er einen Arbeitnehmer innerhalb des Betriebs oder in andere Betriebe innerhalb des Unternehmens versetzen kann.
Wird der Arbeitsort im Arbeitsvertrag eindeutig festgelegt, ohne dass zusätzlich eine Versetzungsklausel integriert wird, ist die geografische Arbeitsstätte abschließend determiniert und eine Versetzung nur noch durch eine Änderungskündigung möglich.
Beraterhinweis
Keine Konkretisierung tritt allein aufgrund einer langjährigen Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsort ein, bloß weil der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Für eine solche müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die eine permanente Festlegung indizieren.
Wird arbeitsvertraglich ein Ort der Arbeitsleistung bestimmt und mit einem Versetzungsvorbehalt kombiniert, verhindert dies die Beschränkung auf den genannten Arbeitsort. Dem BAG zufolge macht es dabei keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Tätigkeitsortes verzichtet wird und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob ein Ort bestimmt wird, aber gleichzeitig die Möglichkeit der Versetzung vereinbart wird.
2. Versetzungsklauseln und Ausübungskontrolle
Arbeitsvertragliche Versetzungsvorbehalte müssen als AGB einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB
standhalten:
- Materiell muss eine Klausel vor allem gewährleisten, dass die Tätigkeit am neuen Arbeitsort inhaltlich gleichwertig ist.
- Ferner muss eine Klausel dem Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügen; insbesondere muss sie...
