Aktuell im ArbRB
Das Hinweisgeberschutzgesetz in seiner endgültigen Fassung - Ein Überblick über die wichtigsten Änderungen (Grimm/Osmakova, ArbRB 2023, 176)
Bis Ende 2021 hätte die EU-Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden („Hinweisgeberrichtlinie“), in nationales Recht umgesetzt werden müssen; nun ist dies endlich geschehen. Nach zahlreichen Debatten sind sich Bundesrat und Bundestag mithilfe des Vermittlungssauschusses über das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) einig geworden. In Kraft tritt das Gesetz einen Monat nach seiner Verkündung am 2.6.2023. Der Beitrag gibt einen Überblick über das Gesetzgebungsverfahren und die wesentlichen Regelungen und Änderungen im Hinweisgeberschutzgesetz.
1. Der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens
2. Die wesentlichen Regelungen
a) Anwendungsbereich
b) Interne und externe Meldung
c) Anonyme Meldung
d) Beweislastumkehr
e) Entschädigung immaterieller Schäden
f) Ordnungswidrigkeit und Bußgeld
3. Fazit
1. Der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens
Die Hinweisgeberrichtlinie war bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umzusetzen. Der erste Gesetzesentwurf scheiterte in der vergangenen Legislaturperiode im Frühjahr 2021 aufgrund von Unstimmigkeiten innerhalb der Großen Koalition.
Einen neuen Entwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz legte die neue Bundesregierung im August 2022 vor (BT-Drucks. 20/3442). Mit einigen Änderungen auf Anraten des Rechtsauschusses nahm der Bundestag den Gesetzesentwurf am 16.12.2022 an (BT-Drucks. 20/4909, BR-Drucks. 20/23). Im Bundesrat erhielt das zustimmungspflichtige Gesetz im Februar 2023 jedoch keine Mehrheit. Um den Bundesrat zu umgehen, spalteten die Koalitionsfraktionen den Gesetzesentwurf zunächst in einen zustimmungspflichtigen und einen zustimmungsfreien Teil auf (BT-Drucks. 20/5991, 20/5592). Nach großer Kritik und Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens nahmen die Regierungsparteien hiervon Abstand und riefen den Vermittlungsausschuss an.
Der einberufene Vermittlungsausschuss fand einen Konsens und präsentierte seine Beschlussempfehlung am 9.5.2023, welcher der Bundestag am 11.5.2023 und der Bundesrat am darauffolgenden Tag zustimmte.
2. Die wesentlichen Regelungen
Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) soll sog. Whistleblowern Schutz bieten, die zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen beitragen wollen.
Zudem werden Unternehmen verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten, bei denen Verstöße gegen bestimmte Rechtsvorschriften gemeldet werden können. Auch externe Meldestellen sollen beim Bundesjustizamt und fachspezifisch beim BKartA und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eingerichtet werden.
Im Folgenden werden die wesentlichen Regelungen des HinSchG in der am 11./12.5.2023 beschlossenen Fassung nach den neuesten Änderungen im Vermittlungsausschuss skizziert.
a) Anwendungsbereich
Das Hinweisgeberschutzgesetz findet Anwendung bei Meldungen und Offenlegungen von Verstößen gegen Straf- und Bußgeldvorschriften sowie gegen ausgewählte Landes-, Bundes- und europarechtliche Vorschriften nach § 2 HinSchG.
Erfasst sind auch missbräuchliche Handlungen, die zwar formal rechtmäßig sein mögen, jedoch dem Ziel oder dem Zweck der Vorschriften zuwiderlaufen, § 3 Abs. 2 Satz 2 HinSchG. Damit geht das Hinweisgeberschutzgesetz sachlich über die europäische Richtlinie, welche nur Verstöße gegen das europäische Recht erfasst, hinaus. Für die Ampel-Koalition war dieser weit gefasste sachliche Anwendungsbereich auch im Vermittlungsausschuss nicht verhandelbar.
Beraterhinweis
Nicht vom Hinweisgeberschutzgesetz erfasst sind Meldungen über Verstöße gegen interne Compliance-Richtlinien. Den Beschäftigungsgebern (die ist die Terminologie nach § 3 Abs. 9 HinSchG und meint Arbeitgeber) steht es dennoch frei, Meldungen von Compliance-Verstößen an die Meldestelle zu ermöglichen. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Schutzmechanismen des Gesetzes bei Compliance-Richtlinien grds. nicht greifen, es sei denn, die Compliance-Vorschriften überschneiden sich...
