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Aktuell im ArbRB

Karlsruhe gegen Erfurt - Neue Anforderungen an die Betriebsratsvergütung - BGH-Urteil im "Volkswagen-Prozess" wirft Haftungsfragen auf (Niklas/Dienst, ArbRB 2023, 145)

Die praktische Umsetzung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Hierzu vorgenom-mene Hilfsbetrachtungen führen allseits zu Unsicherheit. Nach der Entscheidung des BGH im „Volkswagen-Prozess“ steht fest: Die mit der Betriebsratsvergütung einhergehenden strafrechtlichen Risiken sind erheblich. Der Beitrag vermittelt einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung und gibt Hinweise für die Praxis.

I. Grundsätzliches zur Betriebsratsvergütung
1. Ehrenamt und Lohnausfallprinzip
2. Vergleichsgruppenbetrachtung
II. Berücksichtigung hypothetischer beruflicher Entwicklung
1. Bisherige Rechtsprechung des BAG
a) Mindestvergütung
b) Möglichkeit der Gewährung höherer Entgelte
2. Entscheidung des BGH aus Januar 2023
a) Worum ging es?
b) Dissens zur Rechtsprechung des BAG
c) Konsequenz
3. Folge: Einbeziehung hypothetischer Entwicklungen risikobehaftet
III. Essenz für die Praxis
IV. Fazit


I. Grundsätzliches zur Betriebsratsvergütung

1. Ehrenamt und Lohnausfallprinzip

Gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG ist das Betriebsratsamt ein unentgeltliches Ehrenamt, aufgrund dessen Betriebsratsmitglieder weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen, § 78 Satz 2 BetrVG. Zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit bei der Amtsausübung erhalten die Mitglieder des Betriebsrats keine besondere Vergütung. Vielmehr sind sie von ihrer beruflichen Tätigkeit für die Amtsausübung ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist, § 37 Abs. 2 BetrVG.

Zur Bestimmung der Vergütungshöhe gilt das „Lohnausfallprinzip“. Danach erhalten die Mitglieder für die Dauer der Betriebsratstätigkeit grds. die Vergütung, die sie bei Erbringung ihrer Arbeitsleistung ohne Freistellung für die Betriebsratstätigkeit erhalten hätten. Für die anlassbezogene Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist dies in der Regel ohne größere Probleme feststellbar.

2. Vergleichsgruppenbetrachtung
Schwierig wird es jedoch in Fällen vollständiger Freistellungen i.S.v. § 38 BetrVG. Anknüpfungspunkt für die Feststellung, wie die vergütungsmäßige Entwicklung ohne die Amtstätigkeit verlaufen wäre, ist in diesen Fällen grds. eine Vergleichsgruppenbetrachtung. Hierbei wird das Betriebsratsmitglied mit Arbeitnehmern verglichen, die zum Zeitpunkt der Amtsübernahme eine ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeit ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren.

Die Tätigkeit der vergleichbaren Arbeitnehmer muss mit der vom Betriebsratsmitglied zuletzt vor Amtsübernahme ausgeübten Tätigkeit zwar nicht identisch sein, sie muss allerdings zumindest im Wesentlichen, das heißt hinsichtlich der maßgeblichen Tätigkeit, vergleichbar sein.

Beraterhinweis
Ist bei der Mehrzahl der Vergleichsgruppe ein beruflicher Aufstieg feststellbar, so ist dieser auch dem Betriebsratsmitglied gutzuschreiben.

Maßgeblich bei der Vergütungsfortschreibung ist somit nicht die hypothetische berufliche Entwicklung des einzelnen Betriebsratsmitglieds, sondern die Entwicklung der vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

In den Blick zu nehmen ist hierbei die Gesamtvergütung, das heißt neben dem festen Grundentgelt auch variable Vergütungsbestandteile wie

  • Boni oder Tantiemen,
  • Überstundenvergütungen oder
  • Zuschläge und Zulagen.

Ebenfalls zu berücksichtigen sind geldwerte Vorteile, wie z.B. die private Nutzungsmöglichkeit eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstwagens.

II. Berücksichtigung hypothetischer beruflicher Entwicklung
Neben der Vergleichsgruppenbetrachtung wurden bislang regelmäßig auch hypothetische berufliche Entwicklungen und Karrieren, insb. bei langjährigen freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats, bei der Feststellung der ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.05.2023 15:16
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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