Otto Schmidt Verlag

LAG Düsseldorf v. 13.2.2023 - 4 Ta 30/23

Streit um Wertfestsetzung für ein arbeitsgerichtliches Verfahren

Widerklagend erhobene Auskunftsansprüche, die allein der Abwehr der Klageansprüche dienen (hier: Verzugslohnforderungen), verfolgen kein von der Klageforderung unabhängiges, eigenständiges Vermögensinteresse. Nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entspricht der Wert von Klage und Widerklage daher stets dem Wert der Klage.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt. Er hatte von der Beklagten, bei der er als Arbeitnehmer und Syndikusanwalt beschäftigt ist und von der er die unwiderrufliche Einwilligung in eine selbstständige nebenberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt ohne zeitliche Einschränkungen erhalten hat, Verzugslohn aus dem Arbeitsverhältnis für die Monate April bis Juni 2022 i.H.v. 3 x 6.901 € verlangt. Die Beklagte hat gegenüber der Verzugslohnklage ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt und widerklagend Auskunftsansprüche erhoben über die vom Kläger während des Verzugszeitraums angenommenen oder ihm angetragenen Mandate, deren jeweiliges Stadium sowie die Höhe der erzielten bzw. zu erwartenden oder erzielbaren Vergütung. Die Widerklage diente der Abwehr von Verzugslohnansprüchen wegen anderweitig erzielten bzw. böswillig unterlassen Erwerbs.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Den Streitwert hat es auf 20.703 € festgesetzt und darauf hingewiesen, dass die Widerklage wegen wirtschaftlicher Identität mit der Klage keinen eigenen Wert habe und die Streitwertfestsetzung im Urteil zugleich die Festsetzung des Gerichtsgebührenwerts i.S.v. § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG darstelle. Der Kläger, der sich selbst vertreten hat, wandte sich mit seiner Beschwerde gegen die Wertfestsetzung. Er  machte geltend, dass die Widerklage auf Erteilung der Auskünfte zusätzlich zu der Klage zu berücksichtigen sei. Da die widerklageweise begehrten Auskünfte auf die Abwehr der Klageforderung gezielt hätten, sei für sie ein Wert in gleicher Höhe wie für die Klageanträge anzusetzen, mithin insgesamt für das Verfahren ein Streitwert von 41.406 €, hilfsweise jedoch unter Rückgriff auf den Auffangwert von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für jeden der vier Widerklage-Auskunftsansprüche (4 x 5.000 €) ein Wert von 40.730 €.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Streitwert auf 24.843 € festgesetzt. Dabei hat es abweichend von seiner Ausgangsentscheidung die Widerklage gesondert bewertet, da ein Additionsverbot i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG wegen wirtschaftlicher Identität von Klage und Widerklage nicht eingreife. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers zurückgewiesen, den Teilabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts von Amts wegen abgeändert und der Streitwert für das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren auf 20.703 € festgesetzt.

Die Gründe:
Die Beschwerde ist nach derzeitigem Stand unzulässig. Denn es fehlt an der gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderlichen Beschwer von mehr als 200 €. Der in der Hauptsache obsiegende Kläger ist zwar als selbstständiger Rechtsanwalt grundsätzlich in eigener Sache liquidationsberechtigt. Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz besteht aber gem. § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten. Der Kläger konnte daher durch eine ggfs. zu niedrige Wertfestsetzung nicht beschwert sein. Ob dies anders ist, weil er rechtsschutzversichert ist und so seine Honoraransprüche liquidieren könnte, hat er nicht dargelegt.

Die Beschwerde war allerdings auch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hatte zutreffend den Wert mit 20.703 € festgesetzt. Eine höhere Wertfestsetzung schied aus. Klage und Widerklage betrafen denselben Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, so dass eine Addition der Werte ausschied. Somit war die Beschwerde zurückzuweisen und zugleich der Teilabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen abzuändern. Die Widerklage auf Erteilung von vier unterschiedlichen Auskünften zielte insgesamt allein darauf, die Klageforderung zu Fall zu bringen. Das hinter den Auskunftsansprüchen stehende Leistungsinteresse war daher mit dem Abwehrinteresse der Beklagten gegen den Zahlungsanspruch des Klägers identisch.

Eine isolierte Auskunftsklage wäre mit einem zwischen 10% und 50 % liegenden Bruchteil des vollen Abwehrinteresses zu bewerten, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hatte. Geht es aber - wie hier - um widerklageweise erhobene Auskunftsansprüche, verfolgen diese ein von der Klageforderung unabhängiges, eigenständiges Vermögensinteresse nicht. In dem Maße, in dem die erteilte Auskunft - als Hilfsanspruch zur Erhebung des Einwandes aus § 615 Satz 2 BGB - zur Feststellung eines anrechnungsfähig erzielten oder böswillig unterlassenen Erwerbs führt, in dem Maße vermindert sich der Erfolg der Klage.

Der gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG erforderliche Ausschluss des gleichzeitigen Erfolgs von Klage und Widerklage war damit gegeben. Klage- und Widerklageanträge betrafen einen wirtschaftlich identischen Gegenstand, weil die Verurteilung nach dem einen Antrag in aller Regel notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge. Das vom Arbeitsgericht gebildete Beispiel einer Stattgabe von Klage und Auskunftswiderklage, wenn nämlich die Auskunft zu dem Ergebnis "null" führen würde, rechtfertigte keine andere Sicht. In diesem Fall wäre zwar formal beiden Anträgen stattgegeben worden. Das mit der Auskunftswiderklage verfolgte Interesse erschöpfte sich aber gleichwohl in der Abwehr der Klageansprüche und stellte kein davon unabhängiges oder darüber hinausgehendes Interesse dar. Die Formel des BAG, wonach wirtschaftliche Identität vorliegt, wenn die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen nach sich zöge, stellt lediglich eine in nahezu allen Fällen zutreffende und griffige Hilfsüberlegung dar, bildet aber die Fälle wirtschaftlicher Identität nicht vollständig ab.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.03.2023 14:42
Quelle: Justiz NRW

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