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Aktuell im ArbRB

Die Reform der Grundordnung des kirchlichen Dienstes vom 22.11.2022 - Ein Überblick für die Praxis (von Tiling, ArbRB 2023, 77)

Die Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) hat am 22.11.2022 eine Neufassung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO) beschlossen. Die individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Regelungen der Grundordnung bilden seit Jahrzehnten das Fundament des Arbeitsrechts der katholischen Kirche. Die jetzt beschlossene Neufassung, die der Autor im Detail vorstellt, wird in ersten Stellungnahmen als „Paradigmenwechsel“ charakterisiert. Zu Recht?

I. Einordnung der neuen Grundordnung
II. Individualarbeitsrecht

1. Einstellungsvoraussetzungen
a) Alte Regelung
b) Neue Regelung
c) Bewertung
2. „Loyalitätsobliegenheiten“ im bestehenden Arbeitsverhältnis
a) Al
te Regelung
b) Neue Regelung
3. Sanktionsmöglichkeiten im Fall von Loyalitätsverstößen
4. Fort- und Weiterbildung
5. Formulierung neuer Leitbilder
III. Kollektivarbeitsrecht
IV. Hinweise für die Praxis
V. Fazit


I. Einordnung der neuen Grundordnung

Unabhängig vom Gewicht der inhaltlichen Änderungen sticht ins Auge, dass der Umfang der Grundordnung gegenüber der Vorversion aus dem Jahr 2015 um zwei eng bedruckte Seiten gewachsen ist und jetzt acht Seiten beträgt.

Hinzu kommt ein 24-seitiges Dokument mit dem Titel „Bischöfliche Erläuterungen zum kirchlichen Dienst“. Der Charakter dieser Erläuterungen, die es so bislang nicht gegeben hat, dürfte sich im Bereich Interpretationshilfe, Kommentierung und Gesetzesbegründung bewegen. Angesichts des erheblichen Umfangs dieser Erläuterungen bleibt abzuwarten, ob diese Zwecke erfüllt werden. Versteht man diese Erläuterungen als Bekenntnis zu Transparenz und Kommunikationsstärke, ist die gewählte Gestaltungsform jedenfalls zu begrüßen. Zudem dürften die Erläuterungen kirchlichen Arbeitgebern sowie staatlichen und kirchlichen Gerichten als Auslegungshilfe wertvolle Dienste leisten.

II. Individualarbeitsrecht
Auf der Ebene des Individualarbeitsrechts sind insbesondere folgende Änderungen praktisch bedeutsam.

1. Einstellungsvoraussetzungen

a) Alte Regelung

Die Grundordnung in der Fassung vom 27.4.2015 (a.F.) verpflichtete den katholische Arbeitgeber, vor jeder Stellenbesetzung die Erfüllung der in Art. 3 GrO a.F. normierten Einstellungsvoraussetzungen zu prüfen. Diese lauteten im Wesentlichen:

  • Eine kirchenfeindliche Betätigung und ein Kirchenaustritt gelten als absolutes Ausschlusskriterium für die Einstellung in den kirchlichen Dienst.
  • Für alle Stellen existierte die Anforderung, dass die Bewerber „die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen“ und eine „Zustimmung zu den Zielen der Einrichtung“ zeigen mussten.
  • Zur Erfüllung pastoraler und katechetischer Aufgaben durften nur Angehörige der katholischen Kirche eingestellt werden.
  • Zur Erfüllung erzieherischer und leitender Aufgaben durften „in der Regel“ nur Angehörige der katholischen Kirche eingestellt werden. Die Formulierung „in der Regel“ signalisierte, dass in begründeten Ausnahmefällen auch evangelische Christen oder konfessionslose Personen eingestellt werden durften.

b) Neue Regelung
Die am 22.11.2022 verabschiedeten Änderungen bei den Einstellungsvoraussetzungen fallen eher geringfügig aus:

  • Eine kirchenfeindliche Betätigung und ein Austritt aus der katholischen Kirche bilden weiterhin absolute Einstellungshindernisse, Art. 6 Abs. 5 GrO.
  • Von allen Bewerbern wird die „Identifikation mit den Zielen und Werten der katholischen Einrichtung“ (Art. 6 Abs. 2 GrO) erwartet sowie eine „positive Grundhaltung und Offenheit gegenüber...
     



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.03.2023 17:02
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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