Otto Schmidt Verlag

LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 6.1.2023 - 5 Ta 37/22

PKH-Nachprüfung und Fahrtkosten

Die Pauschale nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII soll nicht die Gesamtkosten eines Pkw, der üblicherweise nicht nur beruflich angeschafft, sondern auch privat genutzt wird, in vollem Umfang abdecken. Vielmehr dient sie dazu, die reinen Betriebskosten eines angemessenen Fahrzeugs einschließlich der Steuern annähernd auszugleichen. Darlehensschulden und Abzahlungsverpflichtungen, welche die Partei in Kenntnis bestehender oder bevorstehender Verfahrenskosten aufgenommen hat bzw. die sie in Ansehung des Prozesses oder nach dessen Aufnahme eingegangen ist, sind in der Regel nicht als besondere Belastungen gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigen.

Der Sachverhalt:
Das ArbG bewilligte dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe. Der Rechtsstreit endete durch den in der Güteverhandlung geschlossenen Vergleich. Die von der Staatskasse an den beigeordneten Anwalt gezahlte Vergütung belief sich auf rd. 1.600 €. Die Differenz zu den Wahlanwaltsgebühren beträgt rd. 1.200 €.

In der Folge forderte das ArbG den Kläger anlässlich der PKH-Nachprüfung zur Abgabe einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf, die der Kläger auch einreichte. Ausweislich dieser Erklärung steht der Kläger seit Juni 2020 in einem neuen Beschäftigungsverhältnis. Im Mai 2022 belief sich das Bruttogehalt auf 4.000 €, woraus sich ein Nettobetrag von rd. 2.500 € ergab. Auf dem Girokonto befand sich ein Guthaben von rd. 17.700 €.

Das ArbG verwies auf die Pflicht der Partei, ihr Vermögen, soweit es den Schonbetrag übersteigt, für die Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen, und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger widersprach einer Anrechnung und berief sich darauf, einen Betrag von rd. 15.000 € für die Anschaffung eines Pkw als Ersatz für sein bereits 20 Jahre altes Fahrzeug angespart zu haben. Das ArbG ordnete daraufhin nicht den Einsatz des Vermögens an, sondern - nach nochmaliger Anhörung des Klägers - eine Ratenzahlung und setzte die Höhe der mtl. Rate auf rd. 250 € fest.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem ArbG ebenso ohne Erfolg wie die vorliegende sofortige Beschwerde vor dem LAG.

Die Gründe:
Das ArbG hat den Beschluss zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu Recht geändert und eine Ratenzahlung i.H.v. 249 € angeordnet.

Das ArbG hat die Fahrtkosten des Klägers zutreffend mit rd. 570 € in Ansatz gebracht. Abzusetzen sind gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) ZPO die in § 82 Abs. 2 SGB XII bezeichnenden Beträge. Dazu gehören die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII). Nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII sind bei Benutzung eines eigenen Kfz für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sofern öffentliche Verkehrsmittel nicht vorhanden sind oder deren Benutzung im Einzelfall nicht zumutbar ist 5,20 € für jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, abzusetzen. Nach Angabe des Klägers beträgt diese Entfernung 110 km, sodass insgesamt rd. 570 € absetzbar sind.

Die Pauschale nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII soll nicht die Gesamtkosten eines Pkw, der üblicherweise nicht nur beruflich angeschafft, sondern auch privat genutzt wird, in vollem Umfang abdecken. Vielmehr dient sie dazu, die reinen Betriebskosten eines angemessenen Fahrzeugs einschließlich der Steuern annähernd auszugleichen. Neben der Pauschale können deshalb weitere Kfz-Kosten, wie z. B. Beiträge zu einer Haftpflichtversicherung, geltend gemacht werden. Dementsprechend hat das Arbeitsgericht die vom Kläger angegebene Kfz-Versicherung ebenfalls von den Einnahmen abgesetzt. Auf den vom Kläger berechneten Kilometersatz kommt es nicht an. Die Sozialhilfe nach dem SGB XII soll lediglich eine Mindestsicherung gewährleisten.

Soweit der Kläger auf den Darlehensvertrag mtl. Raten i.H.v. 700 € zahlt, sind diese nicht vom Einkommen abzusetzen. Darlehensschulden und Abzahlungsverpflichtungen, welche die Partei in Kenntnis bestehender oder bevorstehender Verfahrenskosten aufgenommen hat bzw. die sie in Ansehung des Prozesses oder nach dessen Aufnahme eingegangen ist, sind in der Regel nicht als besondere Belastungen gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigen. Die Partei hat sich in ihrer Lebensführung grundsätzlich darauf einzustellen, dass sie entstehende oder entstandene Prozesskosten zu tragen hat. Ausnahmsweise sind solche Verbindlichkeiten jedoch berücksichtigungsfähig bei sog lebenswichtigen oder lebensnotwendigen Schulden, wozu auch Verbindlichkeiten zählen, die aufgrund einer sittlichen Verpflichtung oder zumindest auch aufgrund beruflicher Notwendigkeit entstanden sind.

Zugunsten des Klägers ist davon auszugehen, dass die Anschaffung eines anderen Pkw im August 2022 notwendig war. Nicht notwendig war jedoch zu diesem Zeitpunkt die kreditfinanzierte Anschaffung eines Pkw im Wert von etwa 66.000 €. Der Kläger verfügte über ein Guthaben auf seinem Girokonto i.H.v. rd. 17.000 €, von dem er etwa 15.000 € für die Anschaffung eines Pkw vorgesehen hatte. Ein Betrag in dieser Größenordnung ermöglicht die Anschaffung eines gebrauchten Klein- oder Mittelklassewagens, weshalb das ArbG dieses Guthaben nicht als nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzendes Vermögen berücksichtigt hat.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Prozesskostenhilfe im Arbeitsgerichtsverfahren
Michael H. Korinth, ArbRB 2020, 92

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.02.2023 10:26
Quelle: Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern

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