Otto Schmidt Verlag

Thüringer LAG v. 7.12.2022 - 4 Sa 123/21

Kein einfaches Bestreiten des behaupteten Inhalts einer Briefsendung bei nachgewiesenem Zugang

Weist eine Partei den Zugang einer Briefsendung bei der Gegenpartei nach und behauptet, Inhalt sei ein bestimmtes Schreiben (hier: Geltendmachung) gewesen, reicht einfaches Bestreiten des konkreten Inhaltes nicht aus. Die Gegenpartei kann und muss erklären, welchen anderen Inhalt die Briefsendung gehabt haben soll.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2019. Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1983 als Krankenschwester mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden tätig.

Es gab einen auf den 23.4.2020 datierten Einlieferungsbeleg über die Aufgabe einer Briefsendung bei der Post mit der Sendungsnummer. Gerichtet war dieses Schreiben an die Beklagte. Am 24.4.2020 nahm eine Beschäftigte der Beklagten eine Briefsendung mit der vorbezeichneten Sendungsnummer an. Die Klägerin behauptet, in dieser Briefsendung sei ein Schreiben gewesen, mit welchem sie die Beklagte aufgefordert habe, die Sonderzahlung für das Jahr 2019 mit der Mai-Abrechnung 2020 auszuzahlen.

Das ArbG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte, rd. 2.000 € brutto nebst Zinsen als Jahressonderzahlung für das Jahr 2019 zu zahlen. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Die Revision zum BAG wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2019 in der ausgeurteilten Höhe nebst Zinsen. Anspruchsgrundlage für den Anspruch ist § 20 TVöD. Anspruchsgrundlage für die Zinsen sind die §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB und § 20 Abs. 5 S. 1, 24 Abs. 1 S. 2 TVöD.

Die Klägerin hat diesen Anspruch rechtzeitig i.S.d. § 37 TVöD geltend gemacht. Der Anspruch war fällig zum 30.11.2019. Die Frist zur Geltendmachung lief am 31.5.2020 ab. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Klägerin am 23.4.2020 ein entsprechendes Schreiben zur Post gegeben hat, das am 24.4.2020 der Beklagten zugegangen ist. Zwischen den Parteien ist der Versand und der Empfang eines Schreibens der Klägerin auch nicht streitig. Die Klägerin hat vorgetragen, das Schreiben mit dem behaupteten Inhalt in den unstreitig abgesendeten und bei der Beklagten eingegangenen Briefumschlag getan zu haben. In dem Schreiben hatte Sie Bezug genommen auf zwei Versäumnisurteile, deren Gegenstand jeweils eine Jahressonderzahlung gewesen sei. Ferner hat sie die Beklagte aufgefordert, unverzüglich mit der Mai-Abrechnung das 13. Monatsgehalt/die Jahressonderzahlung nachzuzahlen.

Das einfache Bestreiten, dass dieses Schreiben nicht Inhalt der unstreitig am 24.4.2020 bei der Beklagten eingegangenen Briefsendung gewesen sei, reicht nicht aus. Gem. § 138 Abs. 2 ZPO muss sich jede Partei vollständig und vor allem wahrheitsgemäß über das Vorbringen der Gegenseite erklären. Die Gegenpartei kann und muss erklären, welchen anderen Inhalt die Briefsendung gehabt haben soll. Vorliegend hätte die Beschäftigte der Beklagten, die die Briefsendung entgegengenommen hat, zur Kenntnis nehmen können, ob in dem von ihr entgegengenommenen Briefumschlag Inhalt war und wenn ja welcher. Hierzu wollte diese sich jedoch nicht konkret äußern. Daher besteht kein Anlass, an der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin zu zweifeln.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.01.2023 10:14
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank Thüringen

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