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Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch - Prozessstrategien für Arbeitgeber zur Abwehr von Annahmeverzugslohnansprüchen (Anton-Dyck, ArbRB 2022, 311)

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG geraten Arbeitgeber unabhängig von einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung gekündigter Arbeitnehmer oder dem Ausgang des Kündigungsschutzprozesses in Annahmeverzug. Der Beitrag zeigt rechtliche „Hebel“ für die erfolgreiche Abwehr solcher Annahmeverzugslohnansprüche auf.

I. Ausgangssituation
II. Regelungsgehalt des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG

1. Ordentliche Kündigung als Streitgegenstand
2. Betriebsratswiderspruch
3. Flankierende Kündigungsschutzklage
4. Weiterbeschäftigungsverlangen
III. Handlungsoptionen des Arbeitgebers im Überblick
1. Außergerichtliches Agieren
2. Prozessverhalten im Hauptsacheverfahren
a) Eindeutiger Antrag nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG
aa) Angreifbarer Widerspruch bei personen- und verhaltensbedingten Gründen
bb) Kein Weiterbeschäftigungsanspruch bei „verbundenen“ Kündigungen
cc) Beendigung des Weiterbeschäftigungsverhältnisses
b) Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung
3. Antrag auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht
a) Widerantrag im einstweiligen Verfügungsverfahren
b) Eigenständiges einstweiliges Verfügungsverfahren
4. Einreichung einer Schutzschrift
IV. Fazit


I. Ausgangssituation

Ein frist- und ordnungsgemäßer Betriebsratswiderspruch nach § 102 Abs. 3 BetrVG löst den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG aus. Dessen finanzielle Folgen sind enorm: Arbeitgeber schulden dann unabhängig von einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung nach §§ 611, 615 Satz 1 BGB die vertragsgemäße Vergütung für den Zeitraum zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits.

Aber Arbeitgeber sind in dieser für Arbeitnehmer doch recht komfortablen Situation nicht ohne jede Handhabe. Im Gegenteil: Es bieten sich verschiedene reaktive, aber auch proaktive Handlungsoptionen zur Vermeidung oder jedenfalls Minimierung von Annahmeverzugslohnansprüchen an, die es zu kennen und – je nach Verhalten der Gegenseite – auszuschöpfen gilt.

Mit diesen Handlungsoptionen befasst sich der vorliegende Beitrag.

II. Regelungsgehalt des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG
Das Bestehen von Weiterbeschäftigungs- und Annahmeverzugslohnansprüchen ist an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG geknüpft.

1. Ordentliche Kündigung als Streitgegenstand
Streitgegenstand muss eine ordentliche Kündigung sein. Sofern diese nur hilfsweise zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ausgesprochen wurde (sog. verbundene Kündigung), ist die Anwendbarkeit der Norm streitig.

2. Betriebsratswiderspruch
Ebenfalls nötig ist ein frist- und ordnungsgemäßer Betriebsratswiderspruch nach § 102 Abs. 3 BetrVG, also nicht nur das Äußern von Bedenken i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

Formal gelten die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Inhaltlich muss die Betriebsratsrückschrift ein Mindestmaß an Tatsachenvortrag enthalten, der das Vorliegen eines der in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Widerspruchsgründe als möglich erscheinen lässt.

3. Flankierende Kündigungsschutzklage
Weitere Voraussetzung ist die form- und fristgerechte Einreichung einer Kündigungsschutzklage nach §§ 4, 7 KSchG.

4. Weiterbeschäftigungsverlangen
Erforderlich ist zudem ein hinreichend deutliches, außergerichtliches oder gerichtliches Weiterbeschäftigungsverlangen unverzüglich nach Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen oder spätestens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Arbeitnehmer müssen sich dabei auf den Betriebsratswiderspruch und den daraus abgeleiteten Weiterbeschäftigungsanspruch beziehen.

Beraterhinweis
Die Geltendmachung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist reicht allein nicht aus.

Das Gericht ist daran gehindert, einem Antrag...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.11.2022 09:28
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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