Otto Schmidt Verlag

LAG Köln v. 14.7.2022 - 9 Ta 68/22

Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei Matrixstruktur im Unternehmensverbund

Für die Klage eines Arbeitnehmers gegen seine Vertragsarbeitgeberin sind die Gerichte für Arbeitssachen auch dann zuständig, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Matrixstruktur eines Unternehmensverbunds zum Geschäftsführer von zwei anderen dem Unternehmensverbund angehörenden Gesellschaften bestellt wurde.

Der Sachverhalt:
Der Kläger trat im Oktober 1998 gemäß Anstellungsvertrag als Leiter des Instituts für Verkehrssicherheit in die Dienste der Beklagten. Im Zuge der Neugestaltung der Matrix-Organisation der T Group wurde der Kläger im Jahr 2011 zum Leiter des globalen Geschäftsfelds M.04 Entwicklung/Typprüfung befördert. Die Verantwortlichkeit des Klägers als Leiter dieses Geschäftsfelds umfasste neben der Führung der entsprechenden Teams in Europa die Führung großer Teams in China, Japan, Korea und Nordamerika.

Mit Schreiben vom 4.7.2013, mit dessen Inhalt sich der Kläger einverstanden erklärte, wandte sich die Beklagte wie folgt an den Kläger:

„… wir freuen uns über Ihre Bereitschaft, ab dem 1.9.2013 zusätzlich zu Ihrer Aufgabe als Globaler Geschäftsfeldleiter M.04 die Geschäftsführung der Gesellschaften

T L GmbH, Luxemburg
T F GmbH Berlin.

zu übernehmen.

Die Übernahme dieser Geschäftsführungsfunktionen erfolgt im Rahmen Ihres bestehenden Anstellungsvertrages mit der T K GmbH. Mit der Vergütung aus diesem Vertragsverhältnis sind zugleich alle Vergütungsansprüche als Geschäftsführer abgegolten. …“


Zuletzt erhielt der Kläger, dem Gesamtprokura erteilt worden war, eine monatliche Vergütung i.H.v. durchschnittlich 18.586 €.

Die Beklagte kündigte am 14.12.2021 das Anstellungsverhältnis zum 31.7.2022. Seit dem 4.1.2022 bzw. 28.2.2022 ist er nicht mehr Geschäftsführer luxemburgischen T L GmbH bzw. der T F GmbH Berlin. Mit seiner beim Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten Klage macht er die Unwirksamkeit der Kündigung, das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses und einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Sie habe die bis zum 31.12.2017 unterschiedlichen Vertragsverhältnisse mit Rücksicht auf die organschaftliche Bestellung des Klägers in den weiteren Gesellschaften einerseits und seine globale Führungsrolle andererseits zusammengeführt und auch hinsichtlich der Entgeltseite einheitlich behandelt. In diesem einheitlichen Vertragsverhältnis habe der Kläger die gesetzlichen Befugnisse eines Leitungsorgans einer juristischen Gesellschaft ausgeübt. Soweit zu dem Kläger bis zum 31.12.2017 ein Anstellungsverhältnis eines leitenden Angestellten bestanden habe, sei dieses jedenfalls seit dem 1.1.2018 zu Gunsten des einheitlichen Dienstverhältnisses aufgehoben worden.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit für eröffnet erklärt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten blieb vor dem LAG erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich demgemäß aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b ArbGG unabhängig von der Frage, ob es sich bei den Klageanträgen teilweise um sog. Sic-non-Fälle handelt, bei denen die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.

An der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers hat sich durch die Berufung zum Geschäftsführer der T L GmbH (S.a.r.L) und der T F GmbH nichts geändert. Die Parteien hatten den zwischen ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag nicht anlässlich der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer aufgehoben. In ihrem Schreiben vom 4.7.2013 hatte die Beklagte dem Kläger ausdrücklich mitgeteilt, dass die Übernahme der Geschäftsführungsfunktionen im Rahmen seines bestehenden Anstellungsvertrages erfolge.

Dieser Vertrag bildete damit die Grundlage für die Bestellungen des Klägers zum Geschäftsführer der anderen Gesellschaften. Wird ein in einem Unternehmensverbund beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer anderen verbundangehörigen Gesellschaft bestellt, kann ein zuvor abgeschlossener Arbeitsvertrag die Rechtsgrundlage für die Geschäftsführerbestellung bei der anderen Gesellschaft sein. Bei einer solchen Drittanstellung verbleibt es bei der Rechtsnatur des ursprünglichen Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis, wenn der Angestellte neben seinen neuen Aufgaben als Geschäftsführer weiterhin Aufgaben bei seiner Vertragsarbeitgeberin ausübt.

Der Arbeitsvertrag des Klägers mit der Beklagten hatte sich durch die Bestellung zum Geschäftsführer auch nicht in einen freien Dienstvertrag umgewandelt. Anders als die Beklagte meinte, führte die unternehmensübergreifende Zusammenfassung von Arbeitnehmer- und Geschäftsführeraufgaben nicht zu einem einheitlichen Dienstverhältnis. Vielmehr ist es in Bezug auf die Aufgaben des Klägers als Leiter des globalen Geschäftsfelds M.04 bei dem Direktionsrecht der Beklagten und damit bei der Stellung des Klägers als Arbeitnehmer der Beklagten verblieben. Die Einbindung des Klägers und seiner Aufgaben in eine Matrix-Struktur ändert daran nichts.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Ralf Steffan zu ArbG Bonn vom 03.02.2022 - 3 CA 1698/21
Betriebsbedingte Kündigung bei Matrixstrukturen – Konzernweiter Kündigungsschutz
ArbRB 2022, 170

Aufsatz
Andrea Bonanni / Franziska Fehlberg
Die Drittanstellung von Geschäftsführern im Konzern
ArbRB 2021, 218

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.10.2022 10:36
Quelle: Justiz NRW

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