Otto Schmidt Verlag

ArbG Frankfurt 1.4.2022 - 24 Ca 7293/21

Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen i.S.d. § 46g Satz 3 ArbGG

Eine vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen i.S.d. § 46g Satz 3 ArbGG liegt nicht vor, wenn ein Rechtsanwalt pauschal behauptet, er sei, obwohl rechtzeitig beantragt, nicht von der Zertifizierungsstelle freigeschaltet worden.

Der Sachverhalt:
Mit Schriftsatz vom 12.11.2021 - bei Gericht eingegangen am 22.11.2021 - hatte die Klägerin Klage auf Zahlung von Vergütung i.H.v. insgesamt 1.892 € brutto erhoben. Dem Gütetermin am 21.1.2022 ist die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt ferngeblieben. Auf Antrag der Beklagten ist am Schluss der Sitzung ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet worden, das der Klägerin am 16.2.2022 zugestellt wurde. Mit handschriftlich unterschriebenem und postalisch übersandtem Anwaltsschriftsatz vom 20.2.2022 - bei Gericht eingegangen am 22.2.2022 - hat die Klägerin Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und mitgeteilt, der Einspruch erfolge nicht per beA, da der Unterzeichnende, obwohl rechtzeitig beantragt, bis heute nicht von der Zertifizierungsstelle freigeschaltet worden sei.

Mit Schreiben vom 1.3.2022 hat die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass der nicht als elektronisches Dokument eingereichte Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil am 22.2.2022 bei Gericht eingegangen und dem Vorsitzenden am 24.2.2022 vorgelegt worden war, demgemäß binnen der einwöchigen Einspruchsfrist gem. § 59 Satz 1 ArbGG kein formgerechter Einspruch durch Schriftsatz gem. § 46g Satz 1 ArbGG erfolgt sei und die Voraussetzungen des § 46g Satz 3 und 4 ArbGG u.a. mit Blick auf die Gesetzesbegründung hier nicht vorliegen dürften. Es bestünden insbesondere erhebliche Bedenken im Hinblick auf eine „vorübergehende Unmöglichkeit'. Vor diesem Hintergrund sei beabsichtigt, den Einspruch durch Urteil durch den Vorsitzenden allein ohne mündliche Verhandlung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 4a, Abs. 2 Satz 1 ArbGG als unzulässig zu verwerfen. Die Parteien haben diesbezüglich rechtliches Gehör mit Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Das Arbeitsgericht hat den Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat ihren Einspruch nicht in der gesetzlichen Form eingelegt.

Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind gem. § 46g Satz 1 ArbGG seit dem 1.1.2022 als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (Satz 3). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (Satz 4 Halbs. 1). Bestimmende Schriftsätze, Anträge und Erklärungen, die nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden, sind unwirksam. Die Einreichung ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Der Gegner kann auf die Einhaltung weder verzichten noch sich rügelos einlassen.

Infolgedessen war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Unabhängig von der Frage einer ausreichenden unverzüglichen Glaubhaftmachung fehlt es bereits an einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen - hierunter fällt etwa ein Serverausfall - als elektronisches Dokument. Das beA wurde bereits im Jahr 2016 in Betrieb genommen. Die passive Nutzungspflicht für Rechtsanwälte gem. § 31a Abs. 6 BRAO besteht bereits seit dem 1.1.2018. Durch die Einschränkung „aus technischen Gründen" und „vorübergehend" wird klargestellt, dass professionelle Einreicher hierdurch nicht von der Notwendigkeit entbunden sind,' die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. Die pauschale Darlegung des Klägervertreters, der Einspruch erfolge nicht per beA, da er, obwohl rechtzeitig beantragt, bis heute nicht von der Zertifizierungsstelle freigeschaltet worden sei, genügt diesen Voraussetzungen offenkundig nicht. Ihr lässt sich überdies bereits nicht entnehmen, wann die „rechtzeitige" Beantragung erfolgt sein soll.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.05.2022 14:25
Quelle: LaReDa Hessen

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