Otto Schmidt Verlag

ArbG Gera v. 8.3.2022 - 3 BV 7/21

Antrag auf Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs

Auch wenn der Arbeitnehmer gegen die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Führung eines korrekten Arbeitszeitnachweises verstoßen hat, ist diese Pflichtverletzung ihrem Gewicht nach nicht geeignet eine außerordentliche Kündigung zu begründen, wenn sie nicht mit dem Willen geschehen ist, den Arbeitgeber über die geleistete bzw. nicht geleistete Arbeitszeit zu täuschen.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin betreibt ein Reinigungsunternehmen. Seit 1999 ist die Beteiligte zu 3.) als Reinigungskraft bei ihr beschäftigt. Der Beteiligte zu 2.) ist der aus drei Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Nachdem die Beteiligte zu 3.) einfaches Betriebsratsmitglied war, wurde sie im Mai 2021 zu dessen Vorsitzenden gewählt.

Die monatlichen Arbeitszeitnachweise werden den Mitarbeitern entsprechend der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit für die Arbeitstage Montag bis Freitag vorausgefüllt regelmäßig zum Monatsbeginn zur Verfügung gestellt. Änderungen und Abweichungen haben die Mitarbeiter handschriftlich vorzunehmen. Zu den Arbeitszeitnachweisen wurde die Beteiligte zu 3.) am 31.7.2020 geschult.

Zum Ausgleich der Arbeit am Sonntag den 29.8.2021 beantragte die Beteiligte zu 3.) per E-Mail vom 11.8.2021 den für den 30.8.2021 geplanten Ausgleichstag wegen eines Arzttermins am 3.9.2021 zu nehmen, was so auch gewährt wurde. Am 3.9.2021 erbrachte die Beteiligte zu 3.) keine Arbeitsleistung. Am 2.9.2021 führte sie als Betriebsratsvorsitzende ein halbstündiges Gespräch mit einer Objektleiterin.

Für den Monat September 2021 erhielt die Beteiligte zu 3.) den vorausgefüllten Arbeitszeitnachweis erst am 9.9.2021. In diesem Plan war der 3.9.2021 als Arbeitsleistung voreingetragen. Die Beteiligte zu 3.) unterließ es, in den Spalten Abweichung eine Korrektur dahingehend einzutragen, dass an diesem Tag keine Arbeitsleistung aufgrund des verschobenen Ausgleichstages erbracht wurde. Anstatt die am 2.9.2021 erbrachte Tätigkeit für den Betriebsrat von einer halben Stunde an diesem Tag zu vermerken, trug die Beteiligte 3.) sie für den 3.9.2021 ein.

Am 7.10.2021 wurde die Beteiligte zu 3.) unter Beteiligung eines weiteren Betriebsratsmitgliedes wegen der Unstimmigkeit angehört. Mit Schreiben vom 12.10.2021 ersuchte die Antragstellerin den Betriebsrat, der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3.) zuzustimmen. Der Betriebsrat teilte am 14.10.2021 mit, der Kündigung nicht zuzustimmen, weshalb die Antragstellerin am 18.12.2021 das Zustimmungsersetzungsverfahren einleitete.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag, die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung gem. § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen, abgewiesen.

Die Gründe:
Ein wichtiger Grund, der die außerordentliche Kündigung der Beteiligten zu 3.) rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Zwar hat die Beteiligte zu 3.) gegen ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Führung eines korrekten Arbeitszeitnachweises verstoßen, diese Pflichtverletzung ist jedoch im vorliegenden Fall ihrem Gewicht nach nicht geeignet eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Schließlich ist die Pflichtverletzung nicht mit dem Willen geschehen, die Antragstellerin über die geleistete bzw. nicht geleistete Arbeitszeit zu täuschen.

Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass bereits seitens der Antragstellerin in dem von ihr erst am 9.9.2021 der Beteiligten zu 3.) ausgehändigten Arbeitszeitnachweis für den 3.9.2021 eine Arbeitsleistung voreingetragen war, obwohl die Antragstellerin wusste, dass der ursprünglich für den 30.8.2021 vorgesehene Ausgleichstag am 3.9.2021 gewährt wurde. Dies leistete einem entstehenden Irrtum bei den Eintragungen im Arbeitszeitnachweis Vorschub.

Gegen ein vorsätzliches Unterlassen der Korrektur mit Täuschungsabsicht spricht zudem, dass die Beteiligte zu 3.) für den 3.9.2021 eine Korrektur insoweit vorgenommen hat, als sie für diesen Tag am 2.9.2021 geleistete halbstündige Betriebsratstätigkeit eingetragen hat. Dies lässt deutlich erkennen, dass sie aufgrund der verspäteten Übergabe des Arbeitszeitnachweises die Zeiten nicht zeitnah, sondern erst sechs Tage später nachträglich prüfen und korrigieren konnte und deshalb schlicht einem Irrtum unterlag.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.04.2022 13:58
Quelle: Justiz NRW

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