Otto Schmidt Verlag

LSG NRW v. 10.2.2022 - L 19 AS 1201-21

Arbeitslosengeld II für Zeltplatzmiete

Bei der Miete für einen Zeltplatz kann es sich um vom Jobcenter zu übernehmende Kosten einer Unterkunft handeln. Entscheidend ist, dass eine bauliche Anlage nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die beiden Grundvoraussetzungen Witterungsschutz und "gewisse Privatsphäre" (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) erfüllt.

Der Sachverhalt:
Der Kläger bezog während eines Klinikaufenthaltes Arbeitslosengeld II in Höhe des Regelbedarfs. Nach seiner Entlassung mietete er u.a. von Juni bis September 2019 auf einem Campingplatz einen Zeltplatz an und wohnte darauf in einem Zelt. Die Rechnungen über insgesamt 1.100 € erhielt der Kläger im August und September.

Das beklagte Jobcenter lehnte die Übernahme der Kosten ab. Es handele sich nicht um Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22 SGB II, da Zelte keine Unterkunft darstellten.

Das SG Köln gab der hiergegen gerichteten Klage statt und verurteilte den Beklagten zur Übernahme der für die Monate Juni bis September jeweils berechneten Miete. Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers änderte das LSG das Urteil ab und verurteilte die Beklagte zur Übernahme der Kosten für die Monate August und September 2019.

Die Gründe:
Der Bedarf des Klägers bestand aufgrund der Rechnungstellung nur in den Monaten August und September 2019. Im Übrigen ist dem SG der Sache nach zuzustimmen.

Bei der Miete für den Zeltplatz handelt es sich um von der Beklagten zu übernehmende Kosten einer Unterkunft. Entscheidend ist, dass eine bauliche Anlage nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die beiden Grundvoraussetzungen Witterungsschutz und "gewisse Privatsphäre" (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) erfüllt.

Diese Voraussetzungen dürfen zur Gewährleistung des Grundrechts auf eine menschenwürdige Existenz und aus sozialstaatlichen Erwägungen nicht überspannt werden, da andernfalls die Qualität des Obdachs in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zu der Wahrscheinlichkeit steht, hierfür Grundsicherungsleistungen zu erhalten. Je niedriger der Standard des "Dachs über dem Kopf", desto wahrscheinlicher würde ihm der Charakter einer Unterkunft abgesprochen. Hierdurch würden aber gerade Menschen benachteiligt, die aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen kein qualitativ besseres Obdach erlangen könnten.

Die Aufstellung eines Zelts auf einem umzäunten, bauordnungsrechtlich zugelassenen Campingplatz, verbunden mit der Möglichkeit der Nutzung von Sanitäranlagen und Stromanschlüssen, für einen vorübergehenden Zeitraum erfüllt daher beide Mindestvoraussetzungen.

Mehr zum Thema:

  • Aufsatz: Niklas, Köllmann – Qualifizierung und Weiterbildung in der betrieblichen Praxis (ArbRB 2022, 18)
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.04.2022 13:46
Quelle: LSG NRW PM vom 1.4.2022

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