Otto Schmidt Verlag

BSG v. 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R

Sozialversicherungspflicht für Geschäftsführer: Kapitalbeteiligung von 49 % nicht ausreichend für Selbstständigkeit

Geschäftsführer einer GmbH üben nur dann eine selbstständige Tätigkeit aus, wenn sie aufgrund ihrer Gesellschafterstellung die Rechtsmacht besitzen, einen maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen und dadurch die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitzubestimmen, wofür eine Kapitalbeteiligung von 49 % nicht ausreicht.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist als Gesellschafter‑Geschäftsführer mit einem Kapitalanteil von 49 % an der ebenfalls klagenden GmbH beteiligt. Mehrheitsgesellschafterin ist eine andere GmbH, bei der der Kläger weder Kapitalanteile hält noch zum Geschäftsführer bestellt ist. Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung der klagenden GmbH werden mit der einfachen Mehrheit gefasst. Dies gilt auch für die notwendige Zustimmung zu Handlungen der Geschäftsführung, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Nur in bestimmten im Gesellschaftsvertrag aufgelisteten Angelegenheiten bedarf es einer Dreiviertelmehrheit. Dazu gehören Änderungen des Gesellschaftsvertrags. Dem Kläger ist im Gesellschaftsvertrag das Sonderrecht eingeräumt, für die Dauer seiner Beteiligung einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer zu sein oder einen solchen zu benennen.

Die beklagte DRV Bund stellte die Versicherungspflicht des Klägers in der GKV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung ab 2015 fest. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG führte dazu aus, bereits der Geschäftsführerdienstvertrag bringe die Weisungsgebundenheit des in den Betrieb der Klägerin eingegliederten Klägers zum Ausdruck. Dieser habe auch nicht die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse abzuwenden. Der Kläger habe keine umfassende Sperrminorität. Das Sonderrecht zur Geschäftsführung ändere daran nichts. Vertragswidriges Verhalten sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht relevant.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung des § 7 SGB IV. Aufgrund des im Gesellschaftsvertrag verankerten Sonderrechts sei es dem Kläger rechtlich möglich gewesen, sich Weisungen durch bloße Nichtbeachtung zu widersetzen. Seine Abberufung stelle gesellschaftsrechtlich eine Satzungsänderung dar.

Die Revisionen der Kläger blieben vor dem BSG erfolglos.

Die Gründe:
Geschäftsführer einer GmbH üben nur dann eine selbstständige Tätigkeit aus, wenn sie aufgrund ihrer Gesellschafterstellung die Rechtsmacht besitzen, einen maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen und dadurch die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitzubestimmen. Der Kläger ist aber lediglich mit 49 % am Kapital der GmbH beteiligt. Die für einen Minderheitsgesellschafter erforderliche "echte", die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität räumt der Gesellschaftsvertrag nicht ein. Dieser sieht nur für bestimmte Beschlüsse ein Mehrheitserfordernis von 75 % vor.

Das dem Kläger eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung ändert daran nichts. Es verhindert zwar seine jederzeitige Abberufung als Geschäftsführer und schränkt womöglich Weisungen im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung ein, überträgt ihm aber nicht eine Gestaltungsmacht, kraft derer er auf alle Gesellschafterentscheidungen und damit auf die gesamte Unternehmenspolitik Einfluss nehmen könnte.

Selbst wenn aus dem Sonderrecht abgeleitet würde, ein Geschäftsführer könne sich deshalb sanktionslos weisungswidrig verhalten, wäre eine derartige "Unrechts"-Macht nicht geeignet, die satzungsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse innerhalb der GmbH zu verschieben. Der auf wichtige Gründe beschränkte Widerruf der Geschäftsführerbestellung vermag eine durch den Gesellschaftsvertrag bereits eingeräumte Rechtsmacht zwar nicht infrage zu stellen, kann diese aber auch nicht begründen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.02.2022 15:06
Quelle: BSG online

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