Otto Schmidt Verlag

ArbG Gera v. 16.12.2021 - 2 Ca 329/20

Verbrauch des Kündigungsgrunds durch Abmahnung - Betriebsbegriff des § 23 KSchG

Eine Abmahnung beinhaltet regelmäßig konkludent die Aussage, wegen der in ihr gerügten Vorfälle keine weitergehende arbeitsrechtliche Sanktion ergreifen zu wollen. Betriebsteile und Nebenbetriebe werden i.S.v. § 23 KSchG nicht gesondert betrachtet, sondern als Einheit mit dem Hauptbetrieb angesehen, soweit sie arbeitstechnisch nur Teilfunktionen wahrnehmen und über keinen eigenen Leitungsapparat verfügen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten darum, ob eine arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft beendet hat.

Die Tätigkeit der Klägerin erstreckte sich nach dem Arbeitsvertrag auf Reinigungstätigkeiten auf den vom Beklagten betriebenen Campingplätzen. Der Beklagte betreibt neben den Campingplätzen ein Elektroinstallationsunternehmen. Zwischen dem Beklagten und der Klägerin kam es im Vorfeld der Kündigung zu Unstimmigkeiten, da der Beklagte mit Leistung und Verhalten der Klägerin unzufrieden war. Dies führte zum Ausspruch einer Abmahnung vom 29.7.2020 durch den Beklagten.

Die Klägerin meint, die Kündigung sei bereits wegen Verstoßes gegen § 612a BGB unwirksam, da der Beklagte ihre Krankmeldung durch die Kündigung in unzulässiger Weise habe sanktionieren wollen.

Der Beklagte ist der Ansicht, das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, da die Campingplätze von dem Elektrounternehmen - auch steuerrechtlich - getrennt seien. Im Übrigen behauptet der Beklagte, die Klägerin habe rassistische Äußerungen getätigt.

Die Kündigungsschutzklage hatte Erfolg.

Die Gründe:
Die Kündigung des Beklagten hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet, da sie sozial ungerechtfertigt ist, § 1 Abs. 1 KSchG. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte konnte nicht darlegen, dass für die Kündigung ein Kündigungsgrund i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG vorlag.

Zunächst ist die durch den Beklagten ausgesprochene Kündigung nach Ansicht der Kammer keine verbotene Maßregelung der Klägerin wegen ihrer Krankmeldung i.S.d. § 612a BGB. Insoweit ist die Klägerseite darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen einer Maßregelung. Die Klägerseite hätte also darlegen und beweisen müssen, dass der Beklagte die Kündigung aussprach, um die Klägerin in unzulässiger Weise dafür zu sanktionieren, dass die Klägerin ihr Recht wahrnimmt, sich arbeitsunfähig zu melden. Dieser Nachweis ist der Klägerseite nicht gelungen.

Allerdings findet auf das Arbeitsverhältnis, anders als der Beklagte meint, das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Gemäß § 23 Abs. 1 KSchG kommt es nicht entscheidend darauf an, ob unterschiedliche Unternehmen vorliegen, ggf. auch steuerrechtlich getrennte. Betriebsteile und Nebenbetriebe werden i.S.v. § 23 KSchG nicht gesondert betrachtet, sondern als Einheit mit dem Hauptbetrieb angesehen, soweit sie arbeitstechnisch nur Teilfunktionen wahrnehmen und über keinen eigenen Leitungsapparat verfügen. Die Bestimmungen des § 4 BetrVG greifen im Kündigungsrecht nicht.

Diese Definition zugrunde gelegt, führt der Beklagte seine Unternehmen als einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des § 23 KSchG. Insbesondere ist unstreitig geblieben, dass zentrale unternehmenslenkende Entscheidungen für die Unternehmen des Beklagten einheitlich im zentralen Büro erfolgen und dass dort auch für diese Unternehmen die maßgeblichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten erfolgen.

Ein Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ist durch den Beklagten nicht dargetan. Erkennbar wollte der Beklagte das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen beenden, wobei der Vortrag zu den tatsächlich der Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalten im Laufe des Verfahrens vielfach im Detail wechselte.

Soweit sich der Beklagte auf die unzureichende Arbeitsleistung der Klägerin sowie die angeblichen rassistischen Äußerungen stützt, ist dieser Kündigungsgrund - unabhängig davon, dass der diesbezügliche Sachvortrag viel zu unkonkret und weder mit Daten unterlegt noch mit Beweisangeboten versehen ist - jedenfalls bereits durch die ihrerseits ebenfalls äußerst unkonkrete Abmahnung vom 29.7.2020 verbraucht. Denn eine Abmahnung beinhaltet regelmäßig konkludent die Aussage, wegen der in ihr gerügten Vorfälle keine weitergehende arbeitsrechtliche Sanktion ergreifen zu wollen. Dass der Beklagte sich aber mit der Kündigung auf andere, zeitlich nachgelagerte Sachverhalte als die bereits Abgemahnten beziehen würde, ist insoweit nicht ersichtlich.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.02.2022 15:11
Quelle: Justiz Thüringen online

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