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Aktuell im ArbRB

Der neue gesetzliche Anspruch auf eine Mandatspause für Organmitglieder (#stayonboard) - Eine Synopse von alter und neuer Rechtslage (Jacobi/Hangarter, ArbRB 2021, 311)

Die Autorinnen sind die arbeitsrechtlich spezialisierten Mitglieder der Initiative #stayonboard, die sich seit März 2020 für ein gesetzlich verankertes Recht auf eine Mandatspause für Organmitglieder eingesetzt hat. Die angestrebte Gesetzesänderung ist am 12.8.2021 als Teil des FüPoG II in Kraft getreten. Der Beitrag erläutert die Hintergründe und Einzelfragen der gesetzlichen Neuregelung aus arbeitsrechtlicher Sicht.

1. Hintergrund
a) Gesellschaftsrechtliche Ausgangslage
b) Gesellschaftspolitischer Wandel und FüPoG I und II
c) Europarechtliche Einflüsse
2. Die gesetzliche Neuregelung
3. Die Umsetzung in der Praxis

a) Geltendmachung und Nachweis
b) Einzelfragen beim Mutterschutz
c) Einzelfragen bei Elternzeit
4. Zusammenfassung und Bewertung


1. Hintergrund

a) Gesellschaftsrechtliche Ausgangslage

Auslöser für die Gründung der Initiative #stayonboard  und damit der Gesetzesänderung war eine Pressemitteilung der Westwing AG, die „viral“ ging. Das Unternehmen hatte bekannt gegeben, seine Gründerin trete anlässlich der Geburt ihres Kindes von ihrem Amt als Vorstandsmitglied zurück. Hintergrund ist, dass Vorstands- bzw. Organmitglieder in Fällen, in denen sie ihrer Pflicht vorübergehend nicht nachkommen konnten, bislang ihr Mandat endgültig niederlegen mussten, um sich nicht erheblichen Haftungsrisiken auszusetzen.  Ausgangspunkt dieser Situation ist das Konzept der Gesamtverantwortung im Vorstand.

b) Gesellschaftspolitischer Wandel und FüPoG I und II
Ein Grund für den schnellen Erfolg der Initiative #stayonboard ist vermutlich der gesellschaftspolitische Wandel. Nicht erst seit der COVID-Epidemie gibt es eine Diskussion über die Work-Life-Balance, eine größere Vielfalt an Lebensmodellen und eine gesetzliche Frauenquote. Die eher sanfte Frauenquote des FüPoG I aus 2015  hat ihren Zweck nicht erreicht.  Daran soll das FüPOG II  nun etwas ändern. Vorstände von börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmen aus mehr als drei Mitgliedern sollen künftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein.

In der Literatur wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass es wenig zielführend ist, eine Frauenquote einzufordern und Unternehmen für die Nichteinhaltung zu sanktionieren, wenn die nötigen Rahmenbedingungen fehlen.  Die #stayonboard-Gesetzgebung hat durch die Mandatspause eine solche Rahmenbedingung für die bessere Vereinbarkeit von Führungspositionen und Familie geschaffen.

c) Europarechtliche Einflüsse
Jedenfalls im Hinblick auf die Mutterschutz-Fristen könnte man vertreten, dass auch europarechtlich Handlungsbedarf bestand. Art. 8 Abs. 1 RL 92/85/EWG (Mutterschutz-Richtlinie) gewährt Arbeitnehmerinnen Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung. Der Richtlinie liegt der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde, der grds. etwas weiter auszulegen ist als nach deutschem Verständnis. Auch Fremdgeschäftsführerinnen von GmbH sind erfasst  und – wenngleich umstritten – Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften.

Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung die Rechtslage in Deutschland an das Schutzniveau für weibliche Organmitglieder in zahlreichen anderen EU-Mitgliedstaaten (Dänemark, Belgien, Niederlande) angeglichen.

2. Die gesetzliche Neuregelung
Vermutlich kennt die Leserschaft des Arbeits-Rechtsberaters die Rechtslage bei Arbeitnehmer*innen sehr gut. Dennoch werden in der folgenden Übersicht auch die Ansprüche von Arbeitnehmer*innen bei Schwangerschaft, Elternschaft, Pflegefällen in der Familie sowie eigener Krankheit dargestellt, um einen besseren Vergleich zur bisherigen und sodann zur neuen Rechtslage bei Organmitgliedern zu ermöglichen. ...



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.11.2021 16:53
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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