Otto Schmidt Verlag

Aktuell in der September-Ausgabe des ArbRB

Update zur Corona-Impfung im Arbeitsverhältnis - Was ist zulässig und welche Praxisfragen stellen sich? (Moderegger, ArbRB 2021, 273)

Anders als im Frühjahr kann sich inzwischen grds. jeder, der möchte, gegen das Corona-Virus impfen lassen. Anknüpfend an den Beitrag von Niklas/Köllmann in ArbRB 2021, 77 untersucht der Autor, wie sich dies auf arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Impfung auswirkt. Darf der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nach deren Corona-Impfstatus befragen oder kann er sogar von seinen Arbeitnehmern verlangen, sich impfen zu lassen? Und sind z.B. Impfanreize zulässig?

1. Impfpflicht
a) Anordnung durch den Arbeitgeber
b) Regelung in Betriebsvereinbarung
2. Fragerecht
3. Zutrittsrecht zum Betrieb

a) Schutz- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
b) Hausrecht des Arbeitgebers
4. Impfanreize
a) Impfangebote
b) Impfprämien
5. Impftermine während Arbeitszeit
a) Grundsatz: Keine entgeltliche Freistellung
b) Ausnahme: Vorübergehende Verhinderung i.S.v. § 616 BGB
6. Fazit


1. Impfpflicht

Obwohl der Gesetzgeber nach § 20 Abs. 6 IfSG grds. eine Corona-Impfpflicht durch Rechtsverordnung statuieren könnte, hat er dies – jedenfalls bisher – nicht getan.

a) Anordnung durch den Arbeitgeber
Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Impflicht kämen für ein Anordnungsrecht im Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber lediglich die allgemeinen Vorschriften in Betracht, also § 106 GewO und § 241 Abs. 2 BGB.  Dem legitimen Ziel des Arbeitgebers, die Belegschaft, Kunden und Besucher vor einer Ansteckung zu schützen, steht allerdings ein nicht unerheblicher Eingriff in die Grundrechte des Arbeitnehmers (körperliche Unversehrtheit, allgemeines Persönlichkeitsrecht) gegenüber.

Für eine Rechtfertigung dieses Eingriffs müsste die Impfung zur Erreichung eines legitimen Ziels (hier: zur Reduktion der Ansteckungsgefahr) nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich sein. Diese wäre nur dann der Fall, wenn Impfungen nachweislich ein deutlich effektiveres Mittel zur Reduzierung der Ansteckungsgefahr darstellen würden als andere, für die Beschäftigten weniger belastende Maßnahmen. Dies ist aber wohl zu verneinen, da der Arbeitgeber durch weniger invasive Maßnahmen einen vergleichbaren Schutz seiner Arbeitnehmer erreichen kann, z.B. durch Umsetzung der Corona-ArbSchV sowie des SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards, der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel und durch Einhaltung betrieblicher Hygiene- und Schutzkonzepte oder aber auch durch Schnelltests. Im Ergebnis überwiegen daher grds. die Grundrechte des Arbeitnehmers das Interesse des Arbeitgebers an einer Impfung der Belegschaft.

Beraterhinweis
Der Arbeitgeber kann daher weder durch Ausübung seines Direktionsrechts noch als Ausfluss der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Treuepflicht vom Arbeitnehmer eine Corona-Schutzimpfung verlangen. Etwas anderes kann sich allenfalls bei Tätigkeiten im Gesundheitswesen und in der Pflege ergeben, da es in diesen Bereichen den Kern der Arbeitsleistung ausmacht, für den Schutz und die Pflege vulnerabler Personen Sorge zu tragen. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Impfplicht kann auch in anderen Bereichen überwiegen, in denen Arbeitnehmer entsprechend der Wertungen staatlicher Institutionen nach § 2 Nr. 2 ff. CoronaImpfV mit höchster Priorität zu impfen sind.

b) Regelung in Betriebsvereinbarung
Eine Pflicht zur Impfung kann auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung statuiert werden. Die Betriebsparteien haben gem. § 75 Abs. 2 BetrVG bei ihren Regelungen die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu achten und zu schützen. Daraus folgt, dass ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit in Gestalt einer zwingenden Pflicht zur Impfung auch durch eine Betriebsvereinbarung in der Regel nicht zu rechtfertigen ist.

In jedem Fall müssen Personen von einer Impfflicht ausgenommen werden, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation an einer Schutzimpfung oder Prophylaxemaßnahmen nicht teilnehmen können.

2. Fragerecht
Umstritten ist, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – soweit dieser nicht in einer Gesundheitseinrichtung nach §§ 23, 23a IfSG beschäftigt ist – nach seinem Impfstatus fragen darf.

Hierin wird teilweise eine unzulässige Erhebung personenbezogener Daten gesehen.  Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.09.2021 09:05
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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