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Urlaubsgrüße aus Luxemburg - Ein Update zum Urlaubsrecht unter Berücksichtigung der jüngsten EuGH-Rechtsprechung (Steffan, ArbRB 2022, 381)

Das Urlaubsrecht ist weiterhin im Umbruch. Insbesondere hinsichtlich der Übertragbarkeit, des Verfalls und der Verjährung des Urlaubs hat der EuGH Maßstäbe gesetzt, die die nationale Rechtsprechung bei der Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes erst einmal umsetzen muss. Der Beitrag gibt aus Anlass der jüngsten EuGH-Urteile zum Urlaubsrecht einen Überblick über den aktuellen Stand.

I. Der Urlaub im Kalenderjahr
1. Grundsatz und Übertragbarkeit
2. Übertragbarkeit und Arbeitsunfähigkeit
a) Gesetzlicher Mindesturlaub
b) Übergesetzlicher Urlaub
c) Leistungsbestimmung
3. Übertragbarkeit und Mitwirkung des Arbeitgebers
II. Frühere und zukünftige Ansprüche
1. Rückwirkungsbegrenzung
2. Verjährung
III. Fazit – Was gilt nun im Urlaubsrecht?


I. Der Urlaub im Kalenderjahr

1. Grundsatz und Übertragbarkeit

Sowohl nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG als auch nach der Rechtsprechung des BAG ist der Urlaubsanspruch regelmäßig auf die Dauer des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist, befristet. Etwas anderes gilt nur, wenn die Voraussetzungen für eine Übertragung in das nächste Jahr vorliegen. Der Urlaubsanspruch besteht deshalb im Urlaubsjahr, nicht für das Urlaubsjahr.

Jedenfalls im Grundsatz ist diese Befristung nach der Sichtweise des EuGH mit dem Unionsrecht vereinbar.

Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Jahr ist nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen möglich. Selbst wenn solche Gründe vorliegen, muss der Urlaub nach der Vorstellung des Gesetzgebers bis zum 31. März des Folgejahres gewährt und genommen werden. Danach erlosch der Urlaub nach der früheren nationalen Sichtweise.

2. Übertragbarkeit und Arbeitsunfähigkeit

a) Gesetzlicher Mindesturlaub

Nach Ansicht des EuGH, der sich das BAG angeschlossen hat, verfällt der Urlaub nicht, wenn der Arbeitnehmer ihn wegen einer Arbeitsunfähigkeit, die bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortgedauert hat, nicht nehmen kann. Nach einigen Irritationen über die Reichweite der Entscheidung dürfte mittlerweile geklärt sein, dass gesetzliche Urlaubsansprüche 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung und damit an der Realisierung des Urlaubsanspruchs gehindert ist. Eine Verkürzung des 15-Monats-Zeitraums dürfte auch den Tarifvertragsparteien verwehrt sein.

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Diese lange Verfallfrist erscheint befremdlich, wenn man (allein) auf den Erholungszweck des Urlaubs abstellt, der jedenfalls 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht mehr erreicht werden kann. Diese Sichtweise greift indes – jedenfalls nach Ansicht des EuGH – zu kurz. Danach liegt dem Urlaubsanspruch nämlich ein doppelter Zweck zugrunde:

  • Der Arbeitnehmer soll sich von der Arbeit erholen können und
  • über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit verfügen.

Der Urlaub hat also auch den Zweck einer „sozialen Auszeit“, in der der Arbeitgeber nicht über den Arbeitnehmer verfügen kann.

b) Übergesetzlicher Urlaub
Regelmäßig vereinbaren die Arbeitsvertrags- und/oder Tarifvertragsparteien Urlaubsansprüche über den gesetzlichen Mindestanspruch nach dem BUrlG hinaus (etwa plus zehn Urlaubstage). Dieser Zusatzanspruch kann auch bei Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 31. März des Folgejahres erlöschen.

Weil aber das BAG grds. von einem „Gleichlauf“ der Urlaubsansprüche ausgeht, müssen deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.12.2022 17:05
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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