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Die Bußgeldvorschrift des neuen Nachweisgesetzes - Damoklesschwert oder kalkulierbares Risiko? (Fröhlich, ArbRB 2022, 338)

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der EU hat der Gesetzgeber das Nachweisgesetz geändert und u.a. eine Sanktion bei Verstößen gegen die geänderten Nachweiserfordernisse eingeführt. Der Beitrag untersucht, was dies für die Praxis bedeutet und welche Bußgeldrisiken drohen.

I. Anwendungsbereich der Bußgeldvorschrift
1. Neuverträge
2. Altverträge
II. Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse
III. Verschuldensmaßstab
IV. Behördliche Kontrollen
V. Tatbestand der Ordnungswidrigkeit

1. Keine Aushändigung, Formfehler oder verspätete Aushändigung
2. Kein richtiger oder vollständiger Nachweis
VI. Tateinheit und Tatmehrheit
1. Konstellationen
2. Rechtliche Bewertung
a) Tateinheit
b) Tatmehrheit
VII. Weitere Risiken
VIII. Fazit


I. Anwendungsbereich der Bußgeldvorschrift

1. Neuverträge

Das neue Nachweisgesetz ist am 1.8.2022 in Kraft getreten. Die geänderten Nachweise knüpfen mit den gesplitteten Fristen des § 2 Abs. 1 Satz 4 NachwG an den ersten Tag der Arbeitsleistung bzw. den vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses an. Die geänderten Nachweispflichten und das mögliche ordnungswidrige Handeln betreffen danach primär diejenigen Arbeitsverhältnisse, die ab dem 1.8.2022 begonnen haben und künftig beginnen werden.

2. Altverträge
Für Arbeitsverhältnisse, die bereits vor dem 1.8.2022 bestanden haben, regelt die Übergangsvorschrift des § 5 NachwG, dass die neuen Nachweispflichten gelten, wenn ein Bestandsarbeitnehmer einen schriftlichen Nachweis bezüglich der für ihn geltenden Arbeitsbedingungen verlangt.

Nun stellt sich die Frage, ob eine Ordnungswidrigkeit nach § 4 NachwG auch angenommen werden kann, wenn nach einem solchen Verlangen eines Bestandsarbeitnehmers die Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen nicht, nicht rechtzeitig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erfolgt. Im Ergebnis ist dies zu verneinen.

Schließlich ist § 5 NachwG in der gesetzlichen Bußgeldandrohung des § 4 NachwG gar nicht genannt. Die Pflicht zur Nachunterrichtung über die wesentlichen Arbeitsbedingungen bei Bestandsarbeitnehmern wird erst durch § 5 NachwG und die darin enthaltene Bezugnahme auf § 2 NachwG begründet. Ein Bußgeld kommt aber ohne ausdrückliche gesetzliche Androhung („nulla poena sine lege certa“) nicht in Betracht.

Hierfür spricht auch, dass § 4 NachwG die Tatbestände im Einzelnen aufzählt, die zu einem Bußgeld führen, und § 5 NachwG nicht nennt. Auch die Systematik ist zu berücksichtigen. Die Bußgeldvorschrift des § 4 NachwG steht nämlich vor der Übergangsregelung des § 5 NachwG, woraus gefolgert werden kann, dass lediglich die vor der Norm stehenden Tatbestände bußgeldbewährt sind, die dann auch in der Norm explizit benannt werden.

Beraterhinweis
Eine Ordnungswidrigkeit, die einen Bußgeldtatbestand verwirklicht, kommt danach nur bei Arbeitsverträgen, die ab dem 1.8.2022 beginnen („Neufälle“), in Betracht.

II. Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse
In der Gesetzesbegründung heißt es schlicht, dass mit dem neuen § 4 NachwG nach Maßgabe von Art. 19 RL 2019/1152/EU ein Ordnungswidrigkeitstatbestand bei Verstößen gegen die Nachweispflichten geschaffen wird. Für die Höhe der Geldbuße gelte entsprechend der Bedeutung der arbeitgeberseitigen Nachweispflichten ein Höchstmaß von bis zu 2.000 €. Im Rahmen der Bußgeldbemessung soll gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG insbesondere die wirtschaftliche Situation von kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigt werden.

Ein echter Erkenntnisgewinn lässt sich hieraus noch nicht...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.11.2022 16:40
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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