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"Employer of Record" - Gestaltungsmittel für Auslandsbeschäftigung - Chancen und Risiken für deutsche Unternehmen (Schewiola/Grünewald, ArbRB 2022, 272)

Grenzüberschreitendes Arbeiten hat in den vergangenen Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden rechtlichen Fragen sind komplex, weil immer mehrere Rechtsordnungen betroffen sind. Einen Ausweg kann das sog. Employer-of-Record-Modell bieten. Dieses sieht vor, dass ausländische Arbeitnehmer von einem ausländischen Unternehmen angestellt und an ein deutsches Unternehmen verliehen werden. Der Beitrag beleuchtet die Risiken und Chancen dieses Gestaltungsmittels.

I. Zunehmendes Bedürfnis von Auslandsbeschäftigungen
1. Ausgangs- und Motivlage
2. Umsetzungsprobleme
II. „Employer of Record“ als Gestaltungsmittel für Auslandsbeschäftigung
1. Rechtliche Einordnung des EoR
a) Parteien
b) Rechtsbeziehungen
2. „EoR“ als erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung?
a) Grundsatz: Geltung des Territorialitätsprinzips
b) AÜG-Risiko bei Übertragung des fachlichen Weisungsrechts auf EoR-Arbeitnehmer?
3. Potentielle Haftungsrisiken aufgrund der Anwendung der lokalen Rechtsordnung
III. Fazit


I. Zunehmendes Bedürfnis von Auslandsbeschäftigungen

1. Ausgangs- und Motivlage

International und auch in Deutschland steigt das Bedürfnis von Unternehmen, Arbeitnehmer außerhalb der eigenen Landesgrenzen zu beschäftigen. Dies gilt innerhalb wie auch außerhalb der Europäischen Union. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  • Expansion: Sofern das betreffende Unternehmen etwa anstrebt, seine unternehmerische Tätigkeit über die deutschen Landesgrenzen hinaus auszuweiten, wird es mittelfristig darauf angewiesen sein, Arbeitnehmer im Ausland zu beschäftigen, welche mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut und vor Ort anwesend sind.
  • Fachkräftemangel: Aber auch wegen des in Deutschland anhaltenden Fachkräftemangels sehen sich viele Unternehmen damit konfrontiert, dass der lokale Arbeitsmarkt nicht in zureichender Anzahl geeignete Kandidaten bereithält, um den bestehenden Fachkräftebedarf zu decken.
  • Mobile Work: Zudem haben die vergangenen zweieinhalb Jahre der Corona-Pandemie gezeigt, dass für viele Tätigkeiten die physische Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb nicht zwingend erforderlich, in einigen Fällen sogar vollends entbehrlich ist. Dies gilt beispielsweise für hochspezialisierte Fachkräfte im IT-Bereich. Diese können ihre Tätigkeit häufig ebenso gut „remote“ aus dem Home- bzw. Mobile-Office heraus erbringen; dies gilt auch, wenn der Wohn- und Arbeitsort nicht in Deutschland oder nicht einmal innerhalb der Europäischen Union liegt.

2. Umsetzungsprobleme
Die administrative Umsetzung einer solchen Auslandsbeschäftigung ist allerdings ressourcenaufwendig und wirft zahlreiche arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Fragen sowie Compliance-Risiken auf.

Dies gilt insbesondere, wenn das betreffende Unternehmen keiner Unternehmensgruppe angehört, die über ausländische konzernangehörige Gesellschaften und damit über den entsprechenden Austausch von Know-how verfügt. In einem solchen Fall müsste das Unternehmen regelmäßig zunächst eine Auslandsgesellschaft nach Maßgabe der in dem betreffenden Land geltenden Gesetze gründen. Es hätte sich dabei notwendigerweise auch vertieft mit den dort geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.

Dies ist zeit- und ressourcenaufwendig und wird in vielen Situationen dazu führen, dass das Unternehmen von der Idee einer Auslandsbeschäftigung wieder Abstand nimmt. Dies dürfte insbesondere gelten, wenn die Auslandsbeschäftigung zunächst nur zeitlich befristet und/oder in einem personell nur geringfügigen Umfang eingeführt werden sollte.

II. "Employer of Record" als Gestaltungsmittel für Auslandsbeschäftigung
Genau hier setzt das EoR-Modell an. Unternehmen (EoR-Provider) mit Sitz im Ausland bieten einem in Deutschland ansässigen Unternehmen EoR-Services an. Sie bewerben diese als unbürokratische und rechtssichere Möglichkeit, Arbeitnehmer im Ausland und damit länderübergreifend zu beschäftigen. Das EoR-Modell stammt zwar im Ursprung aus den USA. Zwischenzeitlich sind jedoch in nahezu jedem Industriestaat entsprechende EoR-Provider ansässig.

1. Rechtliche Einordnung des EoR

a) Parteien

Die an einer EoR-Konstruktion beteiligten Personen sind regelmäßig

  •     das in Deutschland ansässige Unternehmen, das Arbeitnehmer im Ausland beschäftigen möchte,
  •     der EoR-Provider, der in dem vom deutschen Unternehmen avisierten Ausland ansässig ist, und
  •     der sich ebenfalls in diesem Auslandsstaat aufhaltende Arbeitnehmer.

b) Rechtsbeziehungen
Die rechtlichen Beziehungen dieser Akteure untereinander sind typischerweise als Dreiecksverhältnis ausgestaltet:

Das Unternehmen schließt mit dem EoR-Provider regelmäßig einen (Rahmen-)Vertrag ab. Hierbei handelt es sich...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.09.2022 15:12
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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