Otto Schmidt Verlag

BAG v. 8.3.2022 - 1 ABR 20/21

Unternehmensweite Nutzung von Microsoft Office 365 nur mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats

In einem Unternehmen mit mehreren Betrieben setzt die unternehmenseinheitliche Nutzung von Microsoft Office 365 mit der Möglichkeit einer zentralen Kontrolle von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer aus zwingenden technischen Gründen eine betriebsübergreifende Regelung voraus. Hierfür ist der Gesamtbetriebsrat zuständig.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung des Softwarepakets Office 365 (jetzt Microsoft 365). Die Arbeitgeberin unterhält mehrere Betriebe. Der antragstellende Betriebsrat ist für ein Verteilzentrum in W mit etwa 2.000 Arbeitnehmern zuständig. Am Verfahren beteiligt ist der im Unternehmen errichtete Gesamtbetriebsrat. Dieser hatte dem unternehmensweiten Einsatz des Softwarepakets bereits im April 2019 zugestimmt.

Der antragstellende Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Einführung und Anwendung des Softwarepakets – zumindest aber von Teilen desselben – mitzubestimmen. Für eine unternehmensweit einheitliche Regelung bestehe keine zwingende technische Notwendigkeit. Die zentralen Administrationsrechte könnten – jedenfalls für einige Module – auf betrieblicher Ebene geregelt und die Anwendung in den einzelnen Betrieben unterschiedlich ausgestaltet werden.

Der Antrag hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Die Gründe:
Dem Betriebsrat steht hinsichtlich der Nutzung des Softwarepakets Office 365 kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu. Bei der Software handelt es sich zwar um eine technische Einrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist aber der Gesamtbetriebsrat zuständig. Bei der Einführung und Anwendung der neuen Software handelt es sich um eine Angelegenheit, die mehrere Betriebe betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden kann.

Die Administration der Software kann nur einheitlich für das gesamte Unternehmen - den sog. Tenant - erfolgen. Entsprechend werden auch die Administrationsrechte zentral vergeben. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Kontrolle des Nutzungsverhaltens von Arbeitnehmern in sämtlichen Betrieben. Diese zentrale Überwachungsmöglichkeit gebietet aus technischen Gründen zwingend eine betriebsübergreifende Regelung.

Der Umstand, dass bei einzelnen Modulen benutzerbezogene Einstellungen vorgenommen werden können, führt zu keiner anderen Bewertung. Die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeigneten Komponenten oder Funktionen – die etwa die Erstellung von Verwendungsberichten, Nutzungsanalysen oder Ereignisprotokollen erlauben – sind technisch nicht auf bestimmte Personen oder Personengruppen einschränkbar.

Mehr zum Thema:

HANDBUCH

Grimm/Singraven, Digitalisierung und Arbeitsrecht – Personalarbeit 4.0 – Gestaltung – Best Practices
§ 15  – Implementierung von Softwareanwendungen
I. Worum geht es?
II. Was sind die rechtlichen Herausforderungen?
III. Best Practice mit Muster Rahmengesamtbetriebsvereinbarung – IT-Systeme

ZEITSCHRIFT

Grimm, Aktuelle Herausforderungen im Umgang mit § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG – Schwerpunkt: IT-Updates und Interimslösungen für die Dauer des Mitbestimmungsverfahrens, ArbRB 2022, 177

Korinth, Zehn Arten, seine Mitarbeiter zu überwachen, und wie man sich dagegen wehrt - Ein Appell für mehr Rechtsdurchsetzung, ArbRB 2022, 150

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.08.2022 16:34
Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de

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