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Die Anfechtung der Betriebsratswahl - Ein Update - Voraussetzungen, Rechtsfolgen und taktische Hinweise (Windeln/de Kruijff, ArbRB 2022, 214)

Nach Abschluss der regulären Betriebsratswahlen im Frühjahr ist damit zu rechnen, dass aktuell in einigen Betrieben darüber gestritten wird, ob die Wahl ordnungsgemäß verlaufen ist oder ggf. wiederholt werden muss. Der nachfolgende Beitrag stellt die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Anfechtung der Betriebsratswahl dar, erläutert die Unterschiede zur Nichtigkeit und gibt taktische Hinweise für das Verfahren. Dabei werden die Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz genauso berücksichtigt wie die jüngste Rechtsprechung zur Anfechtung von Betriebsratswahlen.


1. Voraussetzungen der Anfechtbarkeit
a) Wesentliche Gesetzesverletzung
b) Keine Berichtigung
c) Kausalität
2. Wahlanfechtungsverfahren
a) Anfechtungsberechtigung
b) Einschränkung der Wahlanfechtung
c) Anfechtungsfrist
d) Gegenstand der Anfechtung und Antragstellung
e) Rechtsschutzinteresse
3. Wirkung der Wahlanfechtung
4. Abgrenzung: Nichtigkeit der Betriebsratswahl
5. Exkurs: Einsichtnahme in die Wahlakten
6. Fazit


1. Voraussetzungen der Anfechtbarkeit

Die Voraussetzungen für die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl sind in § 19 Abs. 1 BetrVG geregelt.

a) Wesentliche Gesetzesverletzung
Zunächst ist ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren erforderlich.

Beraterhinweis
Die Beschränkung auf wesentliche Gesetzesverletzungen ist erforderlich, weil das Wahlverfahren sehr detailliert geregelt ist. Als Grundsatz gilt, dass eine Anfechtung nicht auf die Verletzung einer bloßen Ordnungsvorschrift oder Sollbestimmung gestützt werden kann, sondern dass ein Verstoß gegen eine gesetzliche Mussvorschrift vorliegen muss.

b) Keine Berichtigung
Der Verstoß gegen wesentliche Vorschriften rechtfertigt die Anfechtung nur, wenn er nicht rechtzeitig korrigiert wurde. Die Berichtigung erfolgt dabei in der Regel durch den Wahlvorstand. Rechtzeitig ist die Berichtigung, wenn die Wahl danach noch ordnungsgemäß ablaufen kann.

Beraterhinweis
Ist der Wahlvorstand nicht einsichtig und freiwillig zur Berichtigung bereit, kann er ggf. durch Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Korrektur veranlasst werden.

c) Kausalität
Ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften berechtigt ausnahmsweise dann nicht zur Anfechtung, wenn er das Wahlergebnis weder ändern noch beeinflussen konnte.

Beraterhinweis
Entscheidend ist, ob bei einer hypothetischen Betrachtung eine ohne den Verstoß durchgeführte Wahl zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte. Lässt sich dies nicht feststellen, bleibt es bei der Anfechtbarkeit.

2. Wahlanfechtungsverfahren
Die Anfechtung der Betriebsratswahl erfolgt im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Zuständig ist das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat.

a) Anfechtungsberechtigung
Zur Anfechtung einer Betriebsratswahl berechtigt sind gem. § 19 Abs. 2 BetrVG drei oder mehr wahlberechtigte Arbeitnehmer, jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft sowie der Arbeitgeber.

Beraterhinweis
Erfolgt die Anfechtung durch mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, so ist es materiell-rechtlich erforderlich, dass die Wahlanfechtung während des ganzen Verfahrens durch mindestens drei Arbeitnehmer getragen wird. Nehmen einzelne Arbeitnehmer im Verlauf des Verfahrens ihren Antrag zurück und wird hierdurch die Mindestzahl von drei Arbeitnehmern unterschritten, wird das Verfahren unzulässig.

b) Einschränkung der Wahlanfechtung
Der Gesetzgeber hat mit § 19 Abs. 3 BetrVG durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz eine Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit eingeführt: Die Wahlanfechtung wegen Unrichtigkeit der Wählerliste ist hiernach...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.07.2022 17:08
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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