Otto Schmidt Verlag

ArbG Erfurt v. 17.5.2022 - 6 Ca 851/21

Bedeutung des Begriffs "Niederschlagung" einer weitergehenden Zahlungsverpflichtung

Der Begriff der Niederschlagung resultiert aus dem Verwaltungsrecht und stellt grundsätzlich eine verwaltungsinterne Maßnahme insoweit dar. Die Maßnahme dient grundsätzlich zur Vermeidung unnötigen und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes. Eine Niederschlagung wirkt sich, anders als der Erlass, nicht auf den Bestand der Forderung aus.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten seit 2000 in unterschiedlichen Funktionen für den Bereich Kinderkanal tätig. Ausweislich des Strafurteils vom 22.4.2013 hatte er sich der Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zur Bestechlichkeit in 26 Fällen im Arbeitsverhältnis schuldig gemacht. Insbesondere gemeinsam mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten und weisungsberechtigten angestellten Herstellungsleiter der Beklagten hatte der Kläger die Taten begangen.

Die Beklagte hatte arbeitsrechtlich erstinstanzlich Forderungen gegenüber dem Kläger i.H.v. 478.000 € titulieren lassen. Dagegen wurde Berufung eingelegt. Im strafgerichtlichen Urteil ist angegeben worden, dass die Beklagten durch die Taten einen Schaden von insgesamt über 2,7 Mio. € erlitten hat. Die arbeitsgerichtlichen Verfahren konnten in der Sitzung des Mediationsverfahrens vor dem Güterichter durch Vergleichsabschluss am 25.11.2013 beendet werden.

Der Vergleich lautete u.a.:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Vertragsverhältnis mit Wirkung zum 30.6.2011 sein Ende gefunden hat.
  2. Die statusrechtliche Einordnung des Klägers bleibt ausdrücklich offen.
  3. Der Kläger verpflichtet sich an die Beklagte 2,7 Mio. € zu zahlen.
  4. Die Beklagte verpflichtet sich die unter Ziffer 3 genannte Summe niederzuschlagen sofern der Kläger 260.000 € an die Beklagte zahlt.


Der Kläger hat die 260.000 € bis zum 31.12.2019 an die Beklagte entrichtet. Durch die Einleitung eines weiteren Vollstreckungsverfahrens im Jahr 2020 hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass durch die Zahlung der oben genannten Summe nach ihrer Rechtsauffassung der Vergleich noch nicht erfüllt sei. Der Kläger hielt dagegen, dass die Parteien in der Güterichterverhandlung einen sog. Monte-Carlo-Vergleich abgeschlossen hätten. Sämtliche Forderungen der Beklagten gegenüber dem Kläger seien durch die Zahlung von 260.000 € bis zum 31.12.2019 erledigt.

Das Arbeitsgericht hat die gegen die weitere Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vor dem Thüringer LAG vom 25.11.2013 gerichtete Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Möglichkeit einer weitergehenden Zwangsvollstreckung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich vom 25.11.2013 ist für die Beklagte nach wie vor eröffnet. Die im Vergleich festgehaltene Zahlungsverpflichtung des Klägers i.H.v. 2,7 Mio. € ist durch die mittlerweile erfolgte Zahlung von 260.000 € noch nicht erfüllt. Der Restbetrag steht nach wie vor offen.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass durch die Formulierung „Die Beklagte verpflichtet sich die unter Ziffer 3 genannte Summe niederzuschlagen, sofern der Kläger 260.000 € an die Beklagte zahlt.“ kein sog. Monte-Carlo-Vergleich abgeschlossen wurde. Durch die Formulierung „niederzuschlagen“ ist rechtlich kein Verzicht der Beklagten auf den Unterschiedsbetrag zu 2,7 Mio. € durch Zahlung der 260.000 € vereinbart worden. Denn der Begriff der Niederschlagung hat eine völlig andere Bedeutung, als der Begriff der Erfüllung und des Verzichtes.

Der Begriff der Niederschlagung resultiert aus dem Verwaltungsrecht und stellt grundsätzlich eine verwaltungsinterne Maßnahme insoweit dar, dass eine verwaltungsorganisatorische Anordnung erfolgt, zur Abstandnahme von weiterer Beitreibung öffentlich-rechtlicher Forderungen nach erfolgloser Vollstreckung. Die Maßnahme dient grundsätzlich zur Vermeidung unnötigen und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes. Eine Niederschlagung wirkt sich, anders als der Erlass, nicht auf den Bestand der Forderung aus. Die Forderung bleibt uneingeschränkt vollstreckbar; sie kann jederzeit bis zum Eintritt einer eventuellen Zahlungsverjährung neu beigetrieben werden.

Nach den Zeugenaussagen stand für das Gericht fest, dass der Kläger im Verlauf der Vergleichsgespräche und der Güterichterverhandlung seitens der Verantwortlichen der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, was unter dem Begriff der Niederschlagung zu verstehen sei. Der Kläger musste deshalb davon ausgehen, dass die Beklagte nach einem gewissen Zeitablauf erneut die Anfrage nach seinen Vermögensverhältnissen stellen wird. Dies ist vorliegend geschehen und ein weiterer Zwangsvollstreckungsauftrag in die Wege geleitet worden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.06.2022 12:41
Quelle: Online-Verwaltung Thüringen

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